Das gesellschaftspolitische Hörspiel ist tot
... aber sowas von ! Auf erhobene Zeigefinger und moralinsaure Agitation hochbezahlter wie humorloser Weltverbesserer hat kaum noch jemand Lust.
Das lange Leben der Hörspielserien
Ob Science Fiction, Krimis, Grusel oder Skurriles: Mehrteiler bleiben uns meist länger im Gedächtnis. Vielleicht ist das manchmal sogar gerechtfertigt.
Kampf um staatsnahe Hörspiel-Moneten 'Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf', mahnte bereits Angela Merkel. Oder war´s doch Mutter Theresa ? Über Verteilungsprobleme beim Königsmedium.
Schlagzeilen zum Chaoten Leo Greller
Von allen mittelmäßigen Hörspielseiten haben wir den heißesten Draht zum bigotten und chronisch unzufriedenen Liedermacher aus dem Norden.
Die menschengemachten Katastrophen auf der Erde, wie der Ukraine-Krieg oder der Klimawandel, kumulieren aktuell beängstigend. Verdient die eher theoretisch anmutende UFO-Thematik angesichts dieser konkreten Gefahren eigentlich noch unsere Aufmerksamkeit? Eine Hörspielsatire meinte ‚ja‘ und demonstrierte dies zuletzt am 2. Juli 2023, dem alljährlichen 'Tag der UFOs'.
# Können Hörspiele UFOs beeinflussen oder umgekehrt?:
Sonja Schmidt-Peters von der staatsnahen Stiftung `m21´ hat eine schwierige Wahl zu treffen, denn es gibt gleich vier Bewerber um ihre Fördergelder - natürlich nur in dieser Hörspiel-Satire. Dennoch geben sich die Kandidaten alle Mühe mit ihrer Selbstdarstellung, um sich von den Mitbewerbern abzugrenzen. Am Ende siegt die political correctness.
# Fast so regierungstreu und loyal wie Jan Böhmermann:
Da die gemeinen Bürger mitunter zu unkorrekten politischen Ansichten neigen, ist es ein Segen, dass die der Staatsferne verpflichteten öffentlich-rechtlichen Hörfunksender Verantwortung beweisen und die politische Neutralität hin und wieder vernachlässigen. Den Beleg dafür liefert ein Kurzhörspiel über Kriminalberichterstattung im Radio.
Ob Science Fiction, Krimis, Grusel oder Skurriles: Mehrteiler bleiben uns meist länger im Gedächtnis. Ob zu recht oder nicht, kann man nicht immer klar sagen. Vielleicht fungieren in der Single-Gesellschaft die immer wieder kehrenden Hörspielhelden auch bereits als eine Art 'Ersatzfamilie' für uns. Das wäre zwar traurig aber irgendwie auch verständlich ...
Einst legte sich der Provokateur Leo Greller mit der Hamburger Medienschickeria an. Später entging er in einem Berliner Nachtclub knapp einem feigen Anschlag. Heute leckt er seine Wunden, die von jeder Menge schlechter Publicity herrühren, nach der er angeblich das Vertrauen einer weltfremden Aussteiger-Community missbraucht haben soll.
'Tag der UFOs' von Hartmut Lühr (2023) mit Frank Rawel (Kommandant), Karen Suender (Oberst), Alessandro Nania Pacino (Kopilot), Lena Tiemann (Leutn.) 13 Min. | 12 MB | DOWNLOAD / PLAY
'Der Wächter der verbotenen Welt' Realisiert von Hartmut Lühr mit Sascha Gluth (Artan), Branka Hanisch (Mira), Uta V. Kohlenbrenner (Adra) u.a. 55 Min. | 50 MB | DOWNLOAD / PLAY
VERRAT
DER WÄCHTER
Hörspieler royale
Wegen besonderer Verdienste um das Königsmedium in den Adelsstand erhobene Hörspielerinnen und Hörspieler:
Douglas Adams, Alfred Andersch, Andreas E. Beurmann, Marina Dietz, Hans Gerhard Franciskowsky (H.G. Francis), Michael Gaida, Max Goldt, Jens Hagen, Konrad Halver, Hans-Joachim Herwald, Anthony Ingrassia, Stefan Kaminski, Ingomar von Kieseritzky, Heikedine Körting, Alfred Krink, Manfred Marchfelder, Donovan O´Malley, Fritz Mikesch, Eva Maria Mudrich, Barbara Plensat, Rainer Puchert, Michael Schulte, Toyo Tanaka, Douglas Welbat
'Staatsnah ... geht die Moderne stiften' Realisiert von Hartmut Lühr mit Manfred Callsen (Wessel), Nadia Panknin (Schmidt-Peters), Nina Ernst (Holpert-Mang), Andreas Goebel (Opaschewsky), Udo Wiegand (Klaschka), Ninoschka Schlothauer (Goekdal). 54 Min. | 43 MB | DOWNLOAD / PLAY
Auf moralinsaure Agitation hochbezahlter wie humorloser Weltverbesserer hat kaum noch jemand Lust. Selbständig denkende Hörer sind einfach nur angewidert von Versuchen, per Framing im 'Königsmedium' Einfluss auf gesellschaftliche Prozesse nehmen zu wollen. Wir Hörspieler haben mit Eigenproduktionen versucht, hier gegenzuhalten.
# Vom volkswirtschaftlichen Schaden durch Flachfunk:
Ein Hamburger Soziologe `beglückte´ im Hörspielbahnhof 'Hasselbrook' die Welt mit einer Trilogie an Stücken. Hat er dabei das rechte Maß für die stets mitschwingende Kritik gefunden ? Zweifel sind angebracht, denn Aufrührer, Waffen-fabrikanten und Terroristinnen als Protagonisten stehen nicht gerade für moderates Sinnieren über Gesellschaftsprobleme.
Eines der eher seltenen Interviews mit der Macherin der 'drei Fragezeichen' und 'TKKG' bot die Möglichkeit, die Powerfrau nach ihren Rezepten für das Überleben in einer von Männern beherrschten Medienwelt zu befragen. Hartmut Lühr stellte Heikedine Körting Fragen über den Wandel von Rollenbildern und des Geschlechterverhältnisses während ihres Schaffens.
Der Norden Deutschlands war nicht nur Sitz wichtiger Hörspiellabels. Die Ton- und Filmstudios an der Elbe hatten auch noch anderen Ausstoß, wie dilettantische aber authentische Jugendfilme, die Hanseatische Spielart der 'Electronic Body Music' (EBM) sowie improvisierte Trashhörspiele, die unbekümmerte Medienkritik lieferten.
Auf zur Venus | 1982 | A: Michael Gaida | R: Manfred Marchfelder | L: 57 | D: Uwe Müller, Helga Anders, Monika Hansen, Erwin Schastok, Peter Matic, Erwin Schastok Apocalypso oder äußerst besorgt, zutiefst befriedigt | 1983 | A: Michael Gaida | R: Robert Matejka | L: 70 | D: Angelica Domröse, Bruno Ganz Blutbad | 1973 | A: Sylvia Hoffman | R: Christian Gebert | L: 51 | D: Hans Korte, Ingeborg Engelmann, Elke Aberle, Ulrich Faulhaber, Heinz Werner Kraehkamp Die Brandung von Hossegor | 1976 | A: Alfred Andersch | R: Otto Düben | L: 88 | D: Christian Brückner, Christoph Quest, Ursela Monn, Barbara Freier Fehler im System | 1989 | A: Richard Strand | R: Pierre Kocher | L: 39 | B: Franziska Hirsbrunner | D: Wolfgang Grabow, Renate Müller, Anja Brünglinghaus Leute wie wir | 1981 | A: Donovan O'Malley | R: Hans Rosenhauer | L: 45 | ÜHvB | B: Monika Klostermeyer | D: Katharina Thalbach, Stephan Schwartz Das Loch im Kopf der Welt | 1993 | A: Fay Weldon | R: Stefan Dutt | L: 87 | ÜHvB | D: Jürgen Holtz, Friederike Tiefenbacher, Marianne Mosa Nach dem Regen | 1998 | A: Sergi Belbel | B,R: Barbara Plensat | Ü: Klaus Laabs | L: 73 | D: Wolfgang Draeger, Herbert Fritsch, Antje v.d. Ahe, Sophie Rois | Nach Tübingen oder Lauf, Friedrich, lauf! | 1989 | A: Frank Werner | R: Hans Rosenhauer | L: 42 | D: Gerd Baltus, Wolf Dietrich Berg, Rüdiger Kirschstein Science Fixion | 1979 | A: Peter Jacobi | R: Manfred Marchfelder | L: 65 | D: Henning Venske, Ronald Nitschke, Anja Kruse, Otto Sander, Marlen Diekhoff
A=Autor | B=Bearbeitung | D=Hauptdarsteller (ggf. neben anderen) | R=Regie | L=Länge (Minuten) | Ü=Übersetzung | ÜHvB=Übersetzung durch Hubert von Bechtolsheim
ÜBER DIESE SEITEN
Die HöRSPIELer
1999 startete die unabhängige und werbefreie 'Hörspieler'-Internetseite in Hamburg. Inhaltlich stehen seither in unregelmäßigen Abständen und verschiedenen Intensitäten Kritik und Anregungen zum 'Königsmedium' im multimedialen Mittelpunkt.
Neben nachdenklichen Essays, wie `Die Niveau- Drücker - vom volkswirtschaftlichen Schaden durch Flachfunk´ oder `Viel Lärm um nichts - über die schwindende Vielfalt im Hörspielgeschäft´, wurden hier auch Interviews mit Autoren wie Michael Gaida, Sprechern wie Jens Wawrczeck und Produzentinnen wie Heikedine Körting veröffentlicht.
Nachdem die Seite über zwanzig Jahre als 'der Hörspieler' (namensgeberisch anmaßend wie ironisch angelehnt etwa an 'der Spiegel', 'der Tagesanzeiger' oder 'der Märkische Bote') im Netz reüssierte, wurde er 2022 in den Plural 'die Hörspieler' umbenannt, damit auch Frauen und Diverse, die bis dahin vom Lesen und Hören unserer Inhalte ausgeschlossen waren, sich in Zukunft ebenfalls angesprochen fühlen können. Als anbiedernder oder gar rückratloser Kotau vor dem gegenwärtig dominierenden 'aufgewachten' Zeitgeist will sich diese wohlüberlegte Umbenennung jedoch nicht verstanden wissen.
Die Seite bietet versprengten Hörspielliebhabern, die in dem Medium nach wie vor eine wegweisende Kunstform sehen, ein virtuelles Refugium. In diesem Sinne sieht sich der verantwortlich zeichnende Autor ausdrücklich auch als Hörspielaktivist.
Lieber Fantasiereisen im Kopf als CO²-intensive Urlaubstrips: Mit Hörspielen gegen das Klimasterben und die Energiekrise! Hörspiele können als wohlbeleumundetes Königsmedium dazu genutzt werden, das Bewusstsein gerade auch bei Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen, Migranten und Senioren für Themen wie den Klimawandel zu schärfen und das Verständnis für die Gefahren und Lösungen zu verbessern.
Hörspiele 2024
In der von zwei weiblichen Expert*_InnenX moderierten Scifi-Hörspiel-Podcast-Reihe Das war morgen wiederholt der federführende SDR überraschenderweise auch Genre-Hörspiele aus seinem Archiv, in denen bereits die Erderwärmung als Katastrophe thematisiert wurde, wie im recht drögen Stück 'Einige tausend Jahre danach' von Lothar Streblow aus 1986. Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass aus Gründen verantwortungsvoller publizistischer Ausgewogenheit und Programmvielfalt bald auch Hörspiele, wie beispielsweise An der Eisgrenze von Hermann Ebeling aus 1981, in dem (im Gegensatz zum Streblow-Stück) auf unterhaltsame und spannende Weise von einer gefährlichen globalen Abkühlung des Klimas fantasiert wird.
Hörspiele 2023
In der podcastbasierten Aufbereitung des Science-Fiction-Radioklassikers 'Hotel Auferstehung' aus dem Jahr 1969 von Horst Zahlten, in dem ein kleines Land unter den negativen touristischen Auswirkungen einer längerfristigen Wetterabkühlung leidet, klärt der SDR in einem vorangestellten Wortbeitrag zweier Moderatorinnen seine Hörer darüber auf, dass das Stück hinsichtlich des von keinen ernstzunehmenden Wissenschaftlern, Aktivisten oder Politikern mehr bestrittenen Klimawandels als lehrreich anzusehen sei. Es ist sehr hilfreich, dass Rundfunkmitarbeiterinnen Gebührenzahlern bei der korrekten politischen Einordnung historischer Radiostücke behilflich sind - man sollte diesen Service nicht als Bevormundung oder gar medialen Bestandteil einer 'gelenkten Demokratie' ansehen.
Im September reaktivierten die Hörspieler erstmals wieder ihren Podcast mit Eigenproduktionen, da der multimediale Zeitgeist dies gerade wieder trendy zu finden scheint: Das Ende des gesellschaftspolitischen Hörspiels? Ganz und gar nicht! In diesem Podcast findest du eine frische Perspektive fernab erhobener Zeigefinger und moralinsaurer Agitation. Tauche ein in aufregende Geschichten, spannende Dramen und fesselnde Unterhaltung ohne den erhobenen Zeigefinger. Entdecke eine neue Welt des Hörspielgenusses: Science Fiction, Krimis, Grotesken, Satiren, Abenteuer, Grusel ...
Ebenfalls im Spätsommer verstarb der auch in Deutschland während der 70er und 80er Jahre sehr populäre britische Sänger ('Albany') und Kunstpfeiffer Roger Whittaker im hohen Alter. Im ansonsten recht hervorragenden Science-Fiction(-Soap)-Hörspiel 'Unter der Plexikuppel' von Wolfgang Oppenrieder beschwerte sich Ute Mora als in ein futuristisch abgeschottetes Altersheim eingeschlossene 'Seniorin' über die als sadistisch empfundene Dauerbeschallung mit dessen Schlager über 'Fernweh'. Das war vielleicht etwas hart. Aber als Engländer hätte Whittaker solcherlei polemische Anfeindungen mit Sicherheit sportlich weggesteckt.
Wegstecken musste die ironisierende Verächtlichmachung seiner Schlagermusik ebenfalls Roy Black vor über fünfzig Jahren im Hörspiel Ganz in Weiß des epochalen Filmemachers Rainer Werner Fassbinder. Der Ausflug Fassbinders vom Film zum Königsmedium führte sicher auch Fans des Kino-Maestros deutlich vor Ohren, wie unterschiedlich zu beherrschen diese Kunstformen sind. Die vom sogenannten 'Anti-Theater' geprägten in 'Ganz in Weiß' aneinandergereihten niveauvoll stilisierten Monologe über die Insassen einer Jugendbesserungsanstalt vermochten in ihrer Drögheit jedenfalls keine Revolution der deutschsprachigen Hörspielkunst einzuläuten - ganz anders als etwa die Werke Michael Gaidas zehn Jahre später.
Hörspiele 2022
Des Hörspiels hässliche Schwester ... . Der Name dieser Schwester ? 'Musik' ! Sie vermag ebenso wie das Hörspiel, Gefühle und Stimmungen zu stimulieren. Grenzwertig wird es allerdings, wenn sich Bruder 'Hörspiel' und Schwester 'Musik' inzestuös vermischen. Wer kann sich zum Beispiel schon ernsthaft ein gelungenes Hörspiel mit untermalender Electro-Industrial-Musik vorstellen ? Dennoch kommt es mittlerweile routinemäßig zu Vermischungen, die weitaus mehr schaden als nutzen.
Medienpolitik fordert verantwortungsvolle Berichterstattung: Da die gemeinen Bürger mitunter zu unkorrekten politischen Ansichten neigen, ist es ein Segen, dass beispielsweise die der Staatsferne verpflichteten öffentlich-rechtlichen Hörfunksender Verantwortung beweisen und die politische Neutralität hin und wieder vernachlässigen. Den Beleg dafür liefert ein sowohl kritisches als auch nachdenkenswertes Kurzhörspiel über Kriminalberichterstattung im Radio.
Hörspiele sind ideal für Science Fiction, wie wir wissen. Zum Glück müssen wir uns nicht entscheiden, denn das würde uns nicht ganz so leicht fallen: Sowohl öffentlich-rechtliche Science-Fiction-Hörspielproduktionen, also neuerdings Qualitätsmedien-finanzierte Hörspiele, als auch kommerziell motivierte Vertonungen dieses Genres finden Hörerinnen und Hörer und wissen diese zu fesseln. Daher gilt auf diesen Seiten das Motto `the best of both worlds´. Die Utopie stirbt nie.
Konsum kann ein Kitt für Beziehungen sein: Ein hörbar heteronormativ geprägtes gelangweiltes Ehepaar besucht eine innerstädtische Einkaufspassage. Sie und er haben sich gegenseitig nicht mehr viel zu sagen - ein Bettler, der vor einem der Konsumtempel `Stellung´ bezogen hat, ihnen beiden dafür um so mehr. Ob die zwei in der Lage sind, die Einwürfe des unverklärt aufrichtigen Mannes konstruktiv für sich selbst zu nutzen ?
Hörspiele unter Corona
Die hohe Coronapriesterin - nein, pardon: Die uneingeschränkte Sonnenkönigin - nein, letzter Versuch: Die alternativlose Bundeskanzlerin Angela Merkel ('C'DU) hatte in ihrer liebenswerten Unbekümmertheit, was parlamentarische Mitwirkungsrechte anbelangt, wieder einmal so ziemlich im Alleingang eine Reihe von recht einschneidenden Maßnahmen im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 getroffen, was auch das kulturelle Leben hierzulande stark beeinträchtigte: Die für 2020 geplanten Die drei Fragezeichen-Livehörspieltermine mussten allesamt auf 2021 verschoben werden, so dass die HÖRSPIELer in jenem Jahr leider keine Gelegenheit erhielten, sie essayistisch niederzumachen. Ja, wir wissen: dies ist genau das, was unsere Leserschaft von uns erwartet. Daher befürchteten wir, dass unser Zuspruch in den Coronajahren und insbesondere in den ansonsten hörspieltechnisch ereignisarmen Wintermonaten drastisch sinken würde und wiesen dennoch bezüglich uns helfen wollender besorgter Anfragen von Leser- bzw. Hörerinnen freundlich aber bestimmt darauf hin, dass wir keine Spenden annehmen. Was uns jedoch nicht davon abhielt, das Spendenmodell den öffentlich-rechtlichen Zwangsgebühren-sendern ARD, ZDF und Deutschlandradio als moralisch weit weniger verwerfliche Alternative zu ihrem aktuell doch ein wenig an moderne Wegelagerei erinnernden Geschäftsmodell zu empfehlen. Anmerkung: Auch wenn die vorangegangenen Ausführungen für die eine oder den anderen möglicherweise etwas maßnahmenkritisch klingen mögen, weisen wir dennoch darauf hin, dass Hörspieler keine generellen Impfleugner sind!
"Ich habe keine Angst mehr vor Corona seit ich weiß, dass es Corona gibt." (zeitgemäß abgewandeltes Zitat aus Günter Eichs Hörspielklassiker Die Brandung von Setúbal, worin es unter anderem um die Auswirkungen der Pest geht - die Vertonung von 1957 mit Elisabeth Flickenschildt und Gustl Halenke ist nach wie vor unbedingt hörenswert).
Hörspiele 2021
Es wird hin und wieder kritisiert, dass auf dieser Seite wenig aktuelle Hörspielproduktionen kleinerer Verlage kommentiert werden, insbesonderer solcher, die sich mit der Vermarktung ihrer Eigenproduktionen viel Mühe geben. Die HÖRSPIELer wollen zwar nicht unsolidarisch mit diesen Veröffentlichungen sein, in denen häufig viel Herzblut steckt. Aber dennoch: Neuproduktionen, die uns ihre Sprecher lauthals als erfahrene 'deutsche Stimmen' berühmter Hollywood-Stars anpreisen, schrecken grundsätzlich ab. Dahinter steckt die Überlegung, dass Vertonungen, die aus sich selbst heraus mit starken Geschichten, einem befähigten Produktionsteam und gut ausgesuchten Sprechern überzeugen können, es auf keinen Fall nötig haben, mit zweifelhaften Referenzen anderer Medien, die mit Hörspielen eigentlich rein gar nichts zu tun haben, um Aufmerksamkeit zu buhlen. Was sagt beispielsweise die Tatsache aus, dass ein im 'Klappentext' eines Hörspiels aufgeführter Sprecher die 'deutsche Stimme' von Brad Pitt ist ? Richtig - genau überhaupt nichts. Höchstens, dass sich der Sprecher eher auf Synchronisation, denn auf tiefergehende Schauspielerei versteht - auch wenn es hier in Ausnahmefällen kleinere Schnittmengen geben mag.
In Der Verräter aus dem Jahr 1978 von Wolfdietrich Schnurre ringen der hervorragende Schauspieler Herbert Bötticher und seine nicht weniger ausgezeichnete Kollegin Karin Eickelbaum um das Seelenwohl eines kleinen Jungen, das offenbar durch homosexuelle Rollenvorbilder ernsthaft gefährdet scheint. Heute weiß man, dass Kinder von heteronormativen Rollenvorbildern in der Erziehung viel stärker geschädigt werden können und sie vermutlich bei schwulen oder lesbischen Eltern wesentlich besser aufgehoben wären als in der nach wie vor beschissenen binärsexuell-geprägten Realität der Bundesrepublik Anno 2021.
Hörspiele 2020
Noch so ein vermeintlich progressiver Hörspiel-Prophet: Der österreichisch-englische Autor Jakov Lind zeichnete vor dreißig Jahren für das Hörspiel 'Der Erfinder' mitverantwortlich, in dem der sich damals bereits ausbreitende Kindermangel in westlichen Gesellschaften skandalös unsensibel beschrieben und dargestellt wird: Die Frau eines Erfinders kann keine Kinder bekommen und so strebt sie als Ersatzlösung einen Hund an. Sie begründet diesen Wunsch nach Kompensation mit der Feststellung 'Ich kann keine richtige Frau sein, wenn ich keine Mutter sein kann.' - dies würde wohl zu recht keine Feministin heutzutage so stehen lassen können. Auch die Einwände ihres Mannes gegen den animalischen 'Menschersatz' prallen an der unglücklichen Frau ab, wenn er profan feststellt 'Er ist ein Tier und kein Kind - soll er vielleicht im Sandkasten spielen ?'. Zwischen dem um Moral, Ethik und Menschsein streitenden Ehepaar kommt es erst zur Entspannung als der Erfinder seiner Frau zusichert, ihrem künftigen 'Kind'hund Sprechen beibringen zu wollen. Die satirische Initiative Wir sind wichtig - der Wirtschaft zuliebe, die sich dem Primat der Ökonomie folgend schon lange vor der Lehrerin Verena Brunschweiger für einen gesellschaftspolitisch aktiv zu fördernden Kindermangel eingesetzt hat, merkte bereits an, dass sie den Inhalt des offenbar neuerdings im Internet kursierenden Hörstücks missbilligt, auch wenn heute wie 1990 trotz 'ganz schlechter Scherze', wie dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz und den Uploadfiltern, natürlich Kunstfreiheit herrscht. Und dies um so mehr als diese Freiheit in diesem Hörspiel, in dem sich der jüdische Autor Lind zu Formulierungen versteigt à la Vom traditionellen Antisemitismus der Rechten bis hin zum modernen Antisemitimus der Linken, für die politische Mitte in diesem Land gegenwärtig nur schwer auszuhalten scheint.
Die MDR-Produktion 'Westend' mit dem umstrittenen Ulrich Matthes sowie Anja Schneider nach einer Vorlage von Moritz Rinke hat - wenn auch vermutlich unfreiwillig - das Zeug zum inoffiziellen Hörspiel der 'Generation kinderlos': Einige Pärchen leben fest sowie nur zu Besuch in einer schönen kleinen Villa und führen interessante Gespräche über Sinnfragen. Dabei fallen Sätze wie "Wenn ich durch den Garten gehe, muss ich immer an die Kinder denken, die ich nie hatte..." - das ist ziemlich starker Tobak für ein Hörspiel vom zwangsgebührenfinanzierten und nicht eben Merkel-kritischen Mitteldeutschen Rundfunk. Auch stellen sich die Pärchen mehr als einmal untereinander die Frage 'Warum habt ihr keine Kinder ?', die - wen wird es wundern - natürlich unbeantwortet bleibt. Dafür wird über 'Sicherheitsgurte für Hunde' fabuliert, die ja in modernen Familien, die schon länger hier leben, mittlerweile längst Equipment für karrierebehindernde Kinder den Rang abgelaufen haben, wie auch die satirische Initiative Wir sind wichtig - der Wirtschaft zuliebe bestätigen kann. Dennoch verblüfft die mitteldeutsche Hörspielproduktion aus dem Jahr 2020: Unter der Regie von Stefan Kanis wird den Frauen tatsächlich ein gewisser Grad an Weiblichkeit und den Männern ein gewisser Grad an Reife zugestanden (hat hier vielleicht der Rundfunkrat geschlafen ?). Und gerade die weiblichen Figuren reden in dem Stück häufig ziemlich pathosgeladen und bedeutungschwanger daher in ihrer Angst 'alt und wertlos aus der Welt zu fallen'. Hörenswerte, wenn auch nicht herausragende Reminiszenz an Goethes Wahlverwandtschaften
Hörspielenttäuschungen von gestern und vorgestern
Was tut man, wenn man das Bedürfnis nach schlechter Energie und Bestätigung restlos überkommener weiblicher sowie männlicher Rollenbilder hat? Richtig - man hört sich das WDR3-Hörspiel Das Geschenk - Sex-Party zum Geburtstag von Philine Conrad & petschinka an, das der Zwangsgebührensender seinen Hörern impertinenterweise auch noch als Liebesdrama verkaufen will. Die Schauspieler, die diesen misanthropisch-vulgären Reigen an Vorwürfen, Eifersucht und vermeintlich moderner Notgeilheit à la Carolin Kebekus merkbar lustlos eingesprochen haben, können einem im Nachhinein noch leid tun. Hoffentlich dürfen sie irgendwann auch einmal bei einem Hörspiel mitwirken, das eine originelle, nachdenkenswerte Geschichte über interessante Menschen erzählt, die dann vielleicht sogar zu Recht als 'Liebesdrama' bezeichnet werden dürfte (und sei es als humorvolle Groteske, wie beispielsweise in dieser herausragenden Produktion).
Von wegen 'tragikkomischer Klassiker': Was der SWF 1958 mit der Verhörspielung des Vicki-Baum-Klassikers Menschen im Hotel verhunzt hat, geht auf keinen USB-Stick. Man freut sich auf die junge Brigitte Horney, die z.B. in der Martin-Walser-Vertonung 'Lindauer Pieta' (1975) brillierte, und bekommt bei der ARD für 80 Minuten eine hochsinistre und vollkommen humorbefreite Hörspieltristess geboten, die einen wünschen lässt, am besten nie mehr in einem Hotel -egal wo auf der Welt- absteigen zu müssen. Schade um das nichtgenutze Schauspielerinnen-Potenzial...
Man ist zurecht gespannt auf die drei hochkarätigen Schauspieler Otto Sander, Angelica Domröse und Jürgen Thormann in Das Genauigkeitsprinzip - Was, wenn man weiß, wann man stirbt? von Marcy Kahan in der ARD und bekommt stattdessen ein nichtssagend psychologisierendes Hörspiel-Machwerk aus dem Jahr 2000 geboten, bei dem man während des Hörens beinahe geneigt ist, sich selbst ebenfalls eine kürzere Lebenszeit zu wünschen. Dass der Produzent dieses sich an den Zeitgeist anbiedernden Hörspiels der WDR war, wundert hingegen wenig, hat dieser sich mit dem Lied Oma ist ne alte Umweltsau in der Hoffnung auf Applaus von der Greta-Thunberg-Generation doch kürzlich selbst als kaum verhohlener Menschenfeind geoutet.
AUCH HÖRSPIELE BETROFFEN ?
Mediengewalt
Wie wirken massenmediale Gewaltdarstellungen auf das soziale Handeln Jugendlicher ? Diese Frage beschäftigte bereits Generationen von Wissenschaftlern. Zum Thema `Wirkungen von Mediengewalt´ existieren weltweit schätzungsweise über 5000 Studien, deren Befunde einander z.T. völlig widersprechen. Auch ist die Prognosefähigkeit von Medienwirkungen immer noch erstaunlich gering.
Die Unterstellung, die von Öffentlichkeit und Teilen der Politik gegen die elektronischen Massenmedien erhoben wird, ist die, dass ein Zusammenhang existiert zwischen dargestellter Mediengewalt auf der einen und dem Auftreten tatsächlicher Gewalt auf der anderen Seite. Die Relevanz der Fragestellung `Einfluss medialer Gewaltdarstellungen auf Jugendliche´ erweist sich unter anderem in dem Umstand, dass sich in den letzten Jahren kriminelle Jugendliche immer häufiger auf die Massenmedien als Motivliefernaten für ihre Gewalttaten berufen.
Gewalt ist ein schon lange nicht mehr wegzudenkender Bestandteil des Kinder-, Jugend- und Erwachsenen-Unterhaltungsprogramms in den Massenmedien. Mit dem Einsatz von Gewalt kann schnell Spannung aufgebaut werden (sowohl mit Nachrichten- als auch mit erfundener Gewalt).
Der HÖRSPIELer hält es für zulässig, Ergebnisse der Medienwirkungsforschung, die haupsächlich audiovisuelle Medien wie TV, Videos, Filme usw. untersucht haben, auf das Medium Hörspiel zu übertragen: Je nachdem, in welchem Lebenszusammenhang Hörspiele konsumiert werden und welches Maß an Aufmerksamkeit ihnen gewidmet wird, können diese gerade auch von jugendlichen Rezipienten (Zuhörern) äußerst intensiv wahrgenommen werden.
Gerade im kommerziellen Hörspielbereich existieren sehr viele Titel, die violente Inhalte an den jugendlichen Konsumenten bringen wollen (z.B. John Sinclair- oder Dan Shocker-Hörspiele, neuer Trend sog. `Splatter-Hörspiele´; selbst Sailor Moon-Hörspiele, die mehrheitlich von Mädchen gehört werden). Wie schon bei den elektronisch-visuellen, so erweisen sich ebenso bei den auditiven Massenmedien die privaten Anbieter bedauerlicherweise als Pioniere bzgl. des Auslotens der Frage, wieviel Gewaltdarstellung Kindern und Jugendlichen zugemutet werden kann. Und die öffentlich-rechtlichen Anbieter sehen sich daher mit zeitlicher Verzögerung immer wieder ebenso veranlasst, bisher gültige Hemmschwellen in Frage zu stellen.
Die Öffentlichkeit hat nach wie vor eine gänzlich andere Meinung zu den Wirkungen von Mediengewalt als die Wissenschaft. Auch die Politik macht die Medien immer wieder gerne zum Sündenbock für eine verfehlte Familien- und Jugendpolitik.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Wirkungspotential von Mediengewalt in den letzten Jahren von der Medienwirkungsforschung mehr und mehr relativiert wurde, wenngleich es andererseits allerdings auch kaum noch seriöse Wissenschaftler gibt, die Mediengewalt als für Jugendliche völlig unbedenklich einstufen.
MEDIENPOLITIK
Mahner in der Mediengesellschaft
In der Welt der Medienmahnungen, wo besorgte Stimmen den Einfluss der Massenmedien auf die heranwachsende Generation kritisieren, erntet man erfahrungsgemäß mehr skeptische Blicke als Zustimmung. Ein Nicken hier, ein vages "Ja, es wird wirklich schlimmer mit der Gewalt im Fernsehen" da – so erschöpft sich meist die Bereitschaft, sich mit den Schattenseiten des Medienalltags auseinanderzusetzen. Die elektronischen Pharmaka gegen Langeweile und Einsamkeit sind längst zu unentbehrlichen Begleitern geworden, als dass man ihre Freiheiten in Frage stellen möchte. Doch wer würde unter solchen Umständen noch den Mahner spielen wollen?
In einer Zeit, in der der Schutz von Kindern vor schädlichen Medienwirkungen kaum mehr Wert hat als die Sonntagsreden politischer Lippenbekenntnisse, stellt sich die bittere Erkenntnis ein: Die Bundesrepublik kann sich ökonomisch und sozial die aktuelle Medienpolitik auf mittlere Sicht schlichtweg nicht mehr leisten. Das gegenwärtige System der Massenmedien verursacht schwere Schäden an den mentalen Ressourcen des Landes:
- Jugendlichen wird die Entwicklung von Ehrgeiz erschwert.
- Dysfunktionale Verhaltensweisen aus der Medienwelt finden Einzug in die Lebenswelt der Jugendlichen.
- Gesellschaftliche Grundwerte werden untergraben.
Die nachfolgenden Beispiele verdeutlichen diese beunruhigenden Entwicklungen:
Da ist Alexander, zwölf Jahre jung, der für seinen Berufswunsch "Gangster" oder zumindest "Zuhälter" von seiner Klasse belächelt wird. Seine trotzig vorgebrachte Verteidigung: Die Rapper im Musikfernsehen machen doch ständig Werbung für diesen Lebensstil, und alle finden es "voll cool", selbst die Erwachsenen.
Oder Melanie, 15 Jahre alt, die ihre Mutter mit dem Geburtstagswunsch nach operativer Verkleinerung ihrer Nasenflügel irritiert. Obwohl von Bekannten und Nachbarn als 'hübsch' bezeichnet, sieht sich das Mädchen, das regelmäßig verschiedene 'Bachelor'-Formate im TV konsumiert, eher dem Druck eines Schönheitschirurgen als der Unterstützung einer engagierten Nachhilfelehrerin ausgesetzt.
Die medienpolitische Diskussion in Deutschland befindet sich nicht nur in einem historischen Tiefstand – das Problem liegt nicht nur in den Inhalten, sondern vor allem in der völlig diffusen Kommunikation über diese Themen.
MEDIEN UND INKLUSION
Hörspiele für 'alte weiße Männer' haben ihre Daseinsberechtigung
Viele Hörer entziehen sich der seit rund zwanzig Jahren andauernden künstlerischen und politischen Erneuerung des deutschsprachigen öffentlich-rechtlichen Hörspielwesens. Bei ihnen handelt es sich überwiegend um mittelalte bis alte weiße Männer und wenige offenbar nicht sehr emanzipierte Frauen, die weiterhin an konventionellen Medieninhalten und -formen Gefallen finden. Die Internetpräsenz `HÖRSPIELer' sieht sich neuerdings mit Kritik konfrontiert, der beschriebenen Klientel eine virtuelle Heimat zu bieten. Die Verantwortlichen für die Seite erkennen das Problem ausdrücklich an, aber dennoch ist in nächster Zeit keine Neuausrichtung hin zu einer unproblematischeren Zielgruppe geplant.
Eines vorweg: Die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Hörspiels in der Bundesrepublik ist eine Positive. Wo bis in die Neunziger Jahre hinein fast durch die Bank Männer im mittleren und höheren Alter in den Redaktionen, im Studio und an der Schreibmaschine dieses Medium prägten, wurden im neuen Jahrtausend politisch unterstützt mehr und mehr freiwerdende Stellen von Frauen besetzt oder zumindest von nicht heteronormativ geprägten Männern. Durch diesen Prozess wurde das Hörspiel geschlechtergerechter und konnte deutlich mehr Teilhabe für benachteiligte Minoritäten bieten.
Wer, außer Ewiggestrigen, könnte hiergegen ernsthaft etwas einzuwenden haben ?
Hauptprotagonisten des modernen Hörspiels der öffentlich-rechtlichen Anstalten sind Frauen, die sich gegen patriarchale Strukturen engagieren, Migranten, die unter Vorbehalten gegenüber ihrer Kultur leiden, oder Angehörige sexueller Minderheiten, die gegen Diskriminierung kämpfen. Frühere Hörspielautoren, wie Alfred Andersch oder Friedrich Dürrenmatt, behandelten in ihren Stücken existentielle Themen wie Liebe, Tod und Verbrechen. Heutige Autorinnen, wie Sibylle Berg oder Elfriede Jelinek, bevorzugen aktuellere Themen, wie Gleichstellung, Migration und Diversität. Das ist dem gegenwärtigen Zeitgeist geschuldet und befürwortenswert, weshalb es auch nachrangig scheint, dass die modernen Hörspiele kaum noch provoka- oder gar innovativ sind. Mit ihnen wird Haltung gezeigt.
Dennoch werden Besucher der `HÖRSPIELer' nicht ausgegrenzt, die an althergebrachten und ihrer Meinung nach bewährten Hörspielformen und -inhalten festhalten möchten und für die das moderne Hörspiel der öffentlich-rechtlichen Sender zu systemkonform und damit schlicht uninteressant geworden ist. Nochmals: DIE 'HÖRSPIELer' TEILEN SOLCHE ANSICHTEN NICHT, ihnen liegt jedoch an der Inklusion dieser von der Medienpolitik zurückgelassenen Hörerschaft - und sei es nur, damit sie sich wegen des Gefühls des Unverstandenseins in ihrem privaten, beruflichen oder politischen Leben nicht radikalisiert.
KÖNIGSMEDIUM
Kurze Hörspiel-Einführung
Das Hörspiel (im Englischen auch Radio Drama genannt) ist eine Kategorie von Radio-Inhalten mit theatralischem oder phantasievollem Inhalt. Da visuelle Komponenten fehlen, ist die dramatisierte, rein akustische Aufführung auf Dialoge, Musik und Soundeffekte angewiesen, um dem Hörer zu helfen, sich die Figuren und die Geschichte in dessen rein auditiver Dimension vorzustellen.
Zum Hörspiel gehören speziell für das Radio geschriebene Stücke, Dokudramen, dramatisierte belletristische Werke sowie Stücke, die ursprünglich für das Theater geschrieben wurden. Hörspiele müssen nicht unbedingt speziell für die Ausstrahlung im Radio bestimmt sein. Es gibt sie auch auf CDs, Kassetten, Podcasts, Webcasts oder anderen digitalen Downloads. Speziell im deutschsprachigen Raum ist seit Jahrzehnten die Verbreitung von Kinder- und Jugendhörspielen (meist auf Kassetten, später auch auf 'moderneren' Medien) sehr populär und bot seit jeher eine gute Ausgangslage bzw. Vorbereitung junger Hörer für einen späteren Umstieg auf 'ernsthaftere' Radiohörspiele. Dank der Fortschritte bei der digitalen Aufzeichnung und der Verbreitung über das Internet erfuhr das Hörspiel ab der Jahrtausendwende einen Aufschwung. Podcasting bot seither die Möglichkeit, kostengünstig neue Hörspiele zu erstellen und alte Sendungen zu verbreiten. Zudem bieten Hörspiele auch dort Unterhaltung, wo Fernsehen entweder nicht erwünscht ist oder ablenken würde (z. B. beim Autofahren, während des Verrichtens verantwortungsvoller Arbeit oder beim Bedienen von Maschinen). Die Musik spielt eine umstrittene Rolle im Hörspiel: In oberflächlichen Vertonungen für den Mainstream (z.B. Die drei Fragezeichen) ist eine umfangreiche Musikuntermalung des Stückes sehr stilprägend und selbst in anspruchsvollen Stücken (wie z.B. in 'Apocalypso oder Äußerst besorgt, zutiefst befriedigt' von Michael Gaida) kann ihnen eine gewisse unterstützende Wirkung nicht gänzlich abgesprochen werden; Hörspiel-Puristen sowie Aktivisten gegen die ausufernde Musikberieselung im öffentlichen Raum sowie in den Medien lehnen ausgedehnten Musikeinsatz in Hörstücken hingegen ab.
Da es in Hörspielen keine visuellen Elemente gibt, können in der Handlung auch sehr einfach phantastische Kulissen und Effekte verwendet werden, deren Kosten in Film oder Fernsehen schnell den Budgetrahmen sprengen würden. Der äußerst populäre britische Science-Fiction-Stoff von Douglas Adams Per Anhalter durch die Galaxis wurde zunächst als Hörspiel produziert und erst viel später in einer ebenfalls recht netten Umsetzung (teilweise mit Originalsprechern aus der Radio-Vertonung) für das Fernsehen adaptiert, als seine Popularität einen angemessenen Gegenwert für die hohen Kosten des aufwändigen Umsetzung sicherstellen konnte.
Hörspiele sind in weiten Teilen der Welt nach wie vor sehr beliebt, auch wenn das meiste Material inzwischen über das Internet heruntergeladen und nicht mehr über das UKW- bzw. Kurzwellenradio gehört wird. Sender, die Hörspiele produzieren, geben oft eine große Zahl von Drehbüchern in Auftrag. Die relativ geringen Kosten für die Produktion eines Hörspiels ermöglichen es ihnen, auch Werke unbekannterer Autoren in Angriff zu nehmen. Zusätzlich besteht der Vorteil, dass schlechte Texte nicht durch Bühnenkunst kaschiert werden können. Wegen der edlen Beschränkung auf das Wesentliche, wird das Hörspiel auf diesen Seiten auch gerne 'Königsmedium' genannt ...
Viele Hörspieler in Deutschland sind zudem bekennende Fans der ARD-Audiothek, OBWOHL sie (das muss man in diesen Zeiten betonen) in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit sicher KEINE Antisemiten oder totalitäre Hetzer gegen politisch Andersdenkende sind.
Auf moralinsaure Agitation hochbezahlter wie humorloser Weltverbesserer hat kaum noch jemand Lust. Selbständig denkende Hörer sind einfach nur angewidert vom durchschaubaren Vorhaben, über das 'Königsmedium' Einfluss auf gesellschaftliche Prozesse nehmen zu wollen.
Wirkliche Provokationen fehlen
Wenn in diesen Tagen kaum noch wirklich provokative Hörspiele im Radio (oder im Livestream) laufen, ist dies ein Symptom dafür, dass sich das bundesdeutsche Hörspiel öffentlich-rechtlicher Prägung in einer schweren Krise befindet - wie überhaupt die Errungenschaften der `Moderne´ in diesem Land.
Wenn man heute als Hörspielmacher Themen behandeln will, die von denen der großen Parteien und in der Folge auch der öffentlich-rechtlichen Medien abweichen, dann kann man sein Glück nur auf dem freien Markt versuchen. Würden im öffentlich-rechtlichen Hörspiel hin und wieder auch Fragen von allgemeinem Interesse wie der demographische Wandel und die mit ihm verbundenen tief gehenden Veränderungen der Bevölkerungsstruktur hierzulande behandelt, dann könnte man sich beruhigt ein- oder zweimal die Woche abends ein Radiostück anhören, das einem über dass hier und heute dieser nervösen Zeiten in Deutschland etwas sagen will. In welcher Form auch immer - möglichst nicht moralinsauer sondern humorvoll, kritisch, ironisch oder grotesk.
Es ist nicht naiv, mit Hörspielen im kleinen Rahmen etwas bewegen zu wollen. Es gab Zeiten, da waren diese noch politisch. Und zwar teilweise sogar gegen die herrschenden Machtverhältnisse gerichtet, in die die öffentlich-rechtlichen Sender natürlich stark eingebunden sind. Bis in die 80er Jahre hinein hatte man in einigen Hörfunkhäusern noch die Größe, dieses zuzulassen und das Gebot der Staatsferne und der Unabhängigkeit für die öffentlich-rechtlichen Medien ernst zu nehmen. Zwar hat man in den Hörspielabteilungen der Öffentlich-Rechtlichen freiwerdende Stellen in den letzten Jahren mutigerweise fast ausschließlich mit modernen Mitarbeiterinnen besetzt und damit Vielfalt und Gerechtigkeit gefördert - aber dennoch befindet sich auch hier Unabhängige und nicht-ritualisierte Gesellschaftskritik seit langem auf dem Rückzug.
Das Hörspiel 'als Kind der Moderne'
Als Hörspieler ist man - wie andere Kreative auch - eine Gegenstimme zu den Institutionen. Es ist jedoch auffällig, dass die Funktion der Kritik gegenüber den Hörspielabteilungen momentan von niemandem ausgeübt wird. Weder von außerhalb - es gibt anscheinend keine Dissidenten, die ein kritisches Wort wagen - noch von innen heraus. Daher werde ich mich diesbezüglich schadlos halten. Es ist natürlich begrüßenswert, dass die Mitarbeiter der öffentlich-rechtlichen Hörfunkhäuser selbst sehr angetan sind von ihren Produktionen. Noch etwas erfreulicher wäre es allerdings, wenn ein paar mehr Zuhörer außer der direkt und indirekt abhängig Beschäftigten die Begeisterung mit ihnen teilen könnten.
Zu erleben ist seit Jahren eine gesamtgesellschaftliche Verunsicherung. Es ist klar, dass aufgrund der demographischen Entwicklung große Umbrüche bevorstehen und daher sind viele Menschen unsicher, wo es langgehen soll. Hinzu kommt, dass die klassischen Beziehungsmodelle ihr Selbstverständnis verloren haben: Die Familie hat es in der individualisierten Gesellschaft ausgesprochen schwer und ist vermutlich für die Mehrzahl der Menschen nicht einmal als Ideal aufrecht zu erhalten.
Das Aufziehen von Kindern ist heute normativ komplett überfrachtet und zu sehr privatisiert. Die Single-Gesellschaft stiehlt sich hier ebenfalls aus der sozialen (gar nicht einmal aus der finanziellen) Verantwortung, was die weniger werdenden herkömmlichen Familien zusätzlich belastet. Die Errungenschaften der Moderne und damit der Individualisierungsthese stehen auf dem Spiel. Es wird unweigerlich zu schweren Verwerfungen gesellschaftlicher Gruppen kommen, die hauptsächlich über die Medien kommuniziert werden und bei denen Kinder eine traurige Schlüsselrolle spielen. Autoren, die heute Medieninhalte bereitstellen, sollten darauf vorbereiten, sensibilisieren, einstimmen und Möglichkeiten zur Deeskalation aufzeigen. Dies wird jedoch angesichts des weit verbreiteten Defaitismus, der bei der Themenwahl der Redaktionen offenkundig zum Statut gehört, nicht zu bewerkstelligen sein. Man gewinnt damit vielleicht Grimme-Preise, aber man verfehlt leider auch den Nerv der Zeit.
Unabhängige Autoren sind in dieser Situation stärker denn je gefragt: Denn sowohl die politische Linke als auch die Rechte haben keine guten Antworten auf die Gefahr durch die Gegner der Aufklärung. Aber das Hörspiel ist ein Kind der Moderne und als solches braucht es sie zum Leben.
Schwärmerei über das Medium Hörspiel
Es wird sich bereits seit einiger Zeit in den Massenmedien in Krisenszenarien zu überbieten versucht. Manche Kommunikationswissenschaftler formulieren die These, der Staat und die Wirtschaft hätten ein Interesse daran, die Bürger zu verunsichern.
Grund zur Sorge bietet die gesellschaftliche Entwicklung tatsächlich. Aber wichtige Themen, die ans Eingemachte gehen, die sozialpsychologischen Folgen des demografischen Wandels, bleiben tabu. Beispiele: die nicht enden wollende Jugendphase vieler kinderloser Erwachsener, die Vereinzelung von Kindern, die Vermenschlichung von Haustieren.
Dabei könnte das Hörspiel `von heute´ auch provokativ und politisch sein und es wäre gar nicht so schlimm. Es könnte sich ab und zu mit für die Hörer relevanten Themen beschäftigen und müsste längst nicht so berechenbar daherkommen wie die Stücke, die von den Redaktionen gegenwärtig für die Programme ausgewählt werden.
Nun als Einschub ein wenig Schwärmerei über das Medium 'Hörspiel': Bei allem berechtigten Schimpfen und `Uncool´-Finden deutschsprachiger Medienerzeugnisse muss doch festgehalten werden, dass man sich über lange Zeit hinweg sowohl in der Bundesrepublik als auch der `DDR´ an einem im internationalen Vergleich recht regen Hörspielleben erfreuen konnte. In den 50er und 60er Jahren wussten die öffentlich-rechtlichen Anstalten ihre Hörer mit Straßenfeger-Krimis sowie Andersch-, Bachmann-, Eich-, etc-Stücken zu überzeugen. In den 70ern und der ersten Hälfte der 80er Jahre blieb es dann in erster Linie einer kleinen Zahl kommerzieller Schallplatten- und Kassettenlabels aus dem Hamburger Raum vorbehalten, im Westen die Hörgewohnheiten der Generation `Golf´ mit schnell aber auch sehr professionell produzierten Trivialhörspielen zu prägen. Danach hat sich erst einmal eine ganze Zeit lang kaum noch jemand mit Ruhm bekleckert. Nach einer Phase der Stagnation sorgte ab Mitte der 90er Jahre der bis heute andauernde Hörbuch-Boom für eine Renaissance des Hörspiels. Die Öffentlich-Rechtlichen vertonten nicht sehr innovativ bewährte Buchvorlagen für die angeschlossenen Hörverlage; die Kommerziellen entdeckten die Gewalt als Verkaufsschlager - das Hörspiel koppelt sich hierbei nicht ab von der übrigen Entwicklung in den Massenmedien - und gingen ganz darin auf. Zu lachen hat man übrigens sowohl bei den einen als auch bei den anderen kaum noch etwas - Humor befindet sich auf dem absteigenden Ast, wie auch Grotesken, Satiren, Alltagsabenteuer. Seit Beginn des neuen Milleniums beherrschen Krimis, Gewalt, Trash und Übersinnliches den Hörspielmarkt.
Infantile Männer und etablierte 'Wilde'
Es ist ganz natürlich, dass auch beim Medium 'Hörspiel' alle paar Dekaden ältere Schaffende jüngeren weichen müssen (natürlich mit Ausnahme des 'Europa'-Labels um Heikedine Körting).
So hat die `Generation Golf´ inzwischen die Geschicke des kommerziellen Hörspiels in der Bundesrepublik übernommen. Die jung gebliebenen Mittdreißiger haben es sich in den Hörbuchabteilungen der Verlage gemütlich gemacht. Mitgebracht haben sie ihre Lieblingsgroschenhefte aus Jugendtagen, wegen derer sie sich in der Spaßgesellschaft nicht mehr zu genieren brauchen. Scheinbar hat die Mehrheit dieser nahezu ausschließlich männlichen neuen Hörspielmacher während ihrer Adoleszenz dem für junge Leute typischen Bedarf an schlichter Abenteuer- und Trivialliteratur nicht ausleben dürfen. Die von ihnen verantworteten Neuproduktionen sind von einem großen Nachholverlangen bezogen auf für junge Männer typische Allmachtsphantasien geprägt. Die Verbreitung bemerkenswerter Inhalte oder innovativer Darstellungsformen darf man von ihnen nicht erwarten.
Bei den kommerziellen Herren also: Infantilisierung.
Bei den Öffentlich-Rechtlichen scheinen hingegen inzwischen die Frauen mittleren Alters das Sagen zu haben. Die Hörspiellinie, die sie vertreten, ist seriös, staatstragend, sehr berechenbar und schrecklich langweilig: ebenfalls Krimis bis zum Abwinken - Gewalt ist gesellschaftlich voll akzeptiert - und ansonsten fast ausschließlich Problemstücke, bei denen das Selbstverwirklichungsmilieu sich wohl fühlt; viele Wiederholungen einstmals brisanter historischer Produktionen, die heute niemandem mehr wehtun; und alle paar Jahre dürfen etablierte 'Wilde' wie Buttgereit oder Pastewka mal ein bisschen durch die Studios wirbeln ...
Aber hinterher wieder die Tür fest schließen !
Bei den öffentlich-rechtlichen Damen daher: Stagnation und Ermattung.
Schweigespirale bezüglich heikler Themen
Als positive technische Neuerung sorgt seit ungefähr 8 Jahren wenigstens das Internet dafür, dass sich Hörspielfreunde hervorragend informieren, untereinander leichter austauschen und gegenseitig wegen ausbleibender ungewöhnlicher Stücke trösten können.
Dass gemeinsame Trauerarbeit Not tut, verdeutlicht ein Beispiel vor Ort: Der RBB produziert in seinen Studios jährlich ungefähr 20 eigene Hörspiele. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: eine Stadt wie Berlin mit einer Sendeanstalt von großzügigen Ausmaßen und ZWANZIG Hörspiele ! Dies erinnert an das Bild der fehlgeplanten und hochsubventionierten Straßen und Brücken, die in Ostdeutschland ins Nichts führen.
Um das öffentlich-rechtliche vom kommerziellen Hörspielwesen abzugrenzen, wurde im HÖRSPIELer jüngst überspitzt, das eine sei eher männlich dominiert und die Öffentlich-Rechtlichen eher weiblich, was gerade im Raum Berlin-Brandenburg zuzutreffen und eine alte Lebensweisheit zu bestätigen scheint, nach der Frauen das Elend immer schon besser auszuhalten und zu verwalten imstande waren als Männer. Man werfe aktuell einen Blick ins Kanzleramt.
Frank Schirrmacher beschrieb in seinem Buch `Minimum´ die Massenmedien der kinderarmen Gesellschaft so, dass in ihren fiktiven Inhalten der spärlich gesäte Nachwuchs immer seltener vorkommt. Dies laufe auf eine Art sich selbst verstärkende Schweigespirale hinaus. Was bei Schirrmacher aufs Fernsehen gemünzt war, gilt auch für das Radio: Bei den kommerziellen Hörspielen haben wir bereits seit einem Jahrzehnt das Phänomen, dass Produktionen für die jugendliche Zielgruppe mehrheitlich von erwachsenen Männern konsumiert werden und bei öffentlich-rechtlichen Hörspielen fällt auf, dass Frauen in den Entscheidungspositionen - vorsichtig ausgedrückt - familienrelevante Themen oder auch Probleme des Kindermangels nicht gerade zu fördern scheinen.
Konformistische Themenwahl
Dahinter steckt vermutlich keine bewusste Absicht sondern oftmals ein mit Verdrängung einhergehendes biographisch bedingtes Gatekeeping: eine Abwehrhaltung gegenüber bestimmten Themen, die sie nicht kommuniziert hören wollen.
Es ist nur natürlich, wenn Redakteurinnen und Redakteure persönliche Vorlieben und Abneigungen, Interessen und Einstellungen haben - die Mitarbeiter der Hörfunksender agieren schließlich nicht im luftleeren Raum. Es ist jedoch sehr kritisch, wenn hieraus ein Klima entsteht, das dazu beiträgt, die Chancen für konstruktive Gesellschaftskritik im Hörspiel deutlich zu verschlechtern, wie es seit ungefähr 20 Jahren der Fall ist. Die Nähe zur Politik ist nur schwer zu überhören. So kommt es, dass viele Hörspielautoren schon lange wissen, in welche `Richtung´ sie schreiben müssen, um Aufträge vom öffentlich-rechtlichen Hörfunk zu bekommen: Als sichere Nummern gelten Fragen der Geschlechtergerechtigkeit, der kulturellen Vielfalt und des dritten Reichs. Das sind sehr wichtige Themen mit deren einzig möglicher Bearbeitungsweise pro Gerechtigkeit, pro Vielfalt, contra drittes Reich man aber nichts riskieren kann und nichts riskieren sollte. Die mannigfaltigen Folgeprobleme des `demographischen Wandels´ erscheinen hingegen nahezu tabuisiert. Es existiert also de facto eine informelle Vorzensur.
Wenn man heute gegenüber öffentlich-rechtlichen Verantwortlichen das nahezu vollständige Fehlen von Hörspielberichten in den Feuilletons der Zeitungen, die über bloße Rezensionen hinausgehen, ein wenig bedauert und sich Sorgen um den Fortbestand dieser Kunstform macht, bekommt man in der Regel reflexartig erwidert, dass die Rundfunkhäuser nun einmal nicht gegen die neuen Realitäten von `Multimedia´ und `Internet´ angehen könnten. Die Konkurrenz anderer Anbieter sei heute im Gegensatz zu früheren Zeiten einfach übermächtig. Eine schwache Entschuldigung für eigene Unzulänglichkeiten.
Keine Impulse von den Öffentlich-Rechtlichen
Muss das Hörspiel heute wirklich so defensiv sein ? Könnte es in Zeiten akustischer Reizüberflutung nicht gerade eine Chance als echte Alternative zum allgegenwärtigen Geballere und Geschreie anbieten ? Sind die amerikanischen Blockbuster im Kino, die Ego-Shooter am PC und die Seifenopern im Fernsehen tatsächlich so viel überzeugender als ein gutes Hörspiel im Radio ? Fragen wie diese werden von den Vertretern der Öffentlich-Rechtlichen meiner Erfahrung nach regelmäßig gebetsmühlenartig in den Bereich der Träumerei und der Nostalgie verwiesen.
Die Motive dieser Anmerkungen zum Zustand des Hörspielwesens sind eigentlich ein Selbstverstand: die Kritik an der Arbeit der öffentlich-rechtlichen Verantwortlichen, die aber innerhalb der Massenmedien - ungeachtet der Krise des Hörspiels - de facto keine Selbstverständlichkeit ist. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus und so werden bei fast allen raren Veröffentlichungen zum Thema die Hörspielredaktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die sich als Garanten des Fortbestandes des Wortspiels gerieren, über den grünen Klee gelobt. Man zollt sich aus Furcht vor unangenehmen Fragen gegenseitig lieber einmal zu viel Beifall. Womöglich beginnen sich sonst noch Hörerinnen oder Hörer dafür zu interessieren, was einen außer einer Karriere in einer öffentlich-rechtlichen Anstalt eigentlich dazu legitimiert, auf dem Hörspielchef-Sessel zu sitzen.
Mit dieser Tradition sollte nun endlich gebrochen werden: Die Angestellten der Hörfunkabteilungen werden in der Regel gut bezahlt und haben einen relativ sicheren Job. Es ist menschlich verständlich, dass manch eine oder einer lieber nichts mit gewagten und mutigen Produktionen riskieren möchte, aber das hat dann eben nicht mehr viel mit Kunst zu tun. Sie sollten daher ein wenig innovative Kritik aushalten können, mit der man sie ja letztlich bei ihrer Arbeit unterstützen will.
Orson Welles hätte heute beim RBB keine Chance
Es folgt eine Vision, die von den Verantwortlichen des öffentlich-rechtlichen Hörfunks aller Erfahrung nach mit einem Verweis auf die `übermächtigen Konkurrenzmedien´ umgehend in den Bereich der Phantasie verwiesen würde. Sie ist recht simpel ...
Ein Schulhof in Berlin-Schöneberg, in Hamburg-Altona oder anderswo: Ben aus der neunten Klasse fragt in der Pause Sarah aus seiner Parallelklasse `Hast Du gestern um sieben das Hörspiel über diese endgeilen jungen Typen gehört ?´ oder so ähnlich. Sarah antwortet `Ja, aber nur die ersten 10 Minuten, danach wurde es mir zu krass. Mir gefiel das neulich mit dieser lässigen Frau besser.´ ... So, genug gesponnen. Das genügt bereits. Selbstverständlich ist diese Szene ausgesprochen unrealistisch, nahezu 'Science Fiction'. Aber liegt das wirklich an Sarah und Ben ? Oder hat es nicht viel eher damit zu tun, dass sich den beiden trotz der GEZ-Gebühren ('Demokratie-Abgabe'), die ihre Eltern jeden Monat für sie mitzahlen, gar keine Grundlage zu solch einem kurzen Gespräch bietet ? Weil die Lebenswelten der Hörfunkredakteure nur noch rudimentär Schnittmengen mit denen junger Leute aufweisen und für diese interessante Sendungen daher kaum angeboten werden ? Ähnliches gilt aus vergleichbaren Gründen für das Verhältnis zwischen Redakteuren und Autoren.
Würde jemand wie der junge Orson Welles heutzutage beispielsweise beim RBB eine Chance bekommen ? Sollte es die Hörspielabteilung in der Masurenallee tatsächlich riskieren, einen fiktiven Stoff über den Äther zu schicken, der wie der legendäre `Krieg der Welten´, der 1938 scheindokumentarisch die Invasion von Marsmenschen suggerierte, die Zuhörenden irritieren könnte ? Zugegeben: Die Rundfunkgesetze der Vereinigten Staaten in den 30ern waren andere als unsere - aber warum riskiert es nicht doch mal eine Hörspielchefin ? Mit ein bisschen guten Willen wäre dies kein Ding der Unmöglichkeit.
Ein kleines Gedanken(Hör)spiel
Warum verabreden sich nicht einmal drei, vier mutige Abteilungsleiterinnen, parallel auf verschiedenen Sendern ein Hörszenario zu arrangieren, in dem suggeriert wird, dass sich in Bremerhaven hunderttausende junger Leute zusammen auf den Weg machen, die vergreiste und in verbitterten Verteilungskämpfen erstarrte Republik zu verlassen und von einem letzten Militäraufgebot unter großen Opfern davon abgehalten werden ? Ein gänzlich unrealistischer Ausblick ?
Wir können uns heute solche Radio-Ereignisse, die übrigens ganz im Sinne Bertolt Brechts gewesen wären, kaum noch vorstellen, da wir schon lange keinen aktivistischen Hörfunk mehr kennen. Die HörspielchefInnen würden wegen einer solchen Aktion einen Karriereknick riskieren - aber welch ein Schub für ihr Medium, das sie doch fördern zu wollen vorgeben ! Da würde dem Hörspiel und sogar der Gesellschaft - denn hier kann es Berührungspunkte geben - tatsächlich ein wirklicher Dienst erwiesen. Auch wenn nach darauf folgenden (Zwangs-)Versetzungen die Pensionsansprüche gemindert würden. Es ist nicht davon auszugehen, dass Orson seinerzeit während seines mutigen Tuns einen Gedanken an seine Altersversorgung verschwendet hat.
Wo bleiben die flotte Komödie oder der spannende Wirtschaftskrimi über den Berliner Flughafenskandal ('BER'), dessen Folgen das Schicksal der Hauptstadt noch über Jahrzehnte auf das Schärfste prägen werden ? Wenn aus Rücksicht auf die an dem Desaster Beteiligten - überwiegend nach wie vor in Ämtern und Würde - schon nicht im Fernsehen, dann wenigstens im ehemaligen Avantgarde-Medium `Hörspiel´. Kein Ding der Unmöglichkeit. Dabei könnte beiläufig auch die vom Rundfunkgesetz aufgebürdete Staatsferne wieder einmal unter Beweis gestellt werden und das könnte - die Anmerkung muss erlaubt sein - nicht schaden.
Appell an die Hörspielabteilungen
Seien Sie mutiger und verhalten Sie sich weniger devot gegenüber den Alphatieren im Mediendschungel ! Sie können mit Ihrer Arbeit dazu beitragen, die Aufklärung in diesem Land zu verteidigen. Das mag pathetisch klingen, aber im Kampf um den Erhalt der Errungenschaften der Moderne sollten schließlich alle legitimen und friedlichen Mittel erlaubt sein.
Kämpfen Sie gegen die am Horizont bereits aufziehenden Forderungen nach religiös-erbaulichen Medieninhalten an, solange dies noch möglich ist ! Wenn die Moderne hierzulande scheitert, dann sieht es für ein reflexives Medium wie das Hörspiel arg düster aus und die nächsten Generationen werden hörspiellose Generationen sein. Das wollen doch auch Sie nicht.
Überwinden Sie Ihre Scham, von zwangseingetriebenen Rundfunkgebühren (Neusprech: 'Beitragsservice') alimentiert zu werden - sie ist ein mächtiges und häufig ebenso wahrhaftiges Gefühl, das Ihrer Umkehr vom Staat, der Sie schützt, zu den Menschen, die auf Ihre Courage angewiesen sind, im Wege steht. Sie können sich an anderer Stelle für eine gerechte Rundfunk-Gebührenreform einsetzen und Ihr Gewissen erleichtern. Lassen Sie diesen Aspekt erst einmal außen vor, es gibt in diesen Zeiten inhaltlich höchst innovationsarmer Massenmedien wichtigere Dinge anzugehen.
Geben Sie dem unterhaltsam-kritischen Hörspiel, das die Konfrontation mit den Mächtigen und deren `Nach uns die Sintflut´-Haltung nicht scheut, wieder eine Chance. Das Hörspiel ist Ihnen nur anvertraut, gehen Sie wieder sorgsamer damit um ! Vielleicht werden sich bei entsprechendem Angebot auch wieder mehr jugendliche Hörer den auditiven Inhalten zuwenden. Die heute jungen Leute werden unweigerlich irgendwann darüber entscheiden, ob das Hörspiel neben dem bunten und lauten Getöse der Konkurrenzmedien überhaupt eine Zukunft haben kann.
Gesellschaftskritik im Doppelpack:
Das Interview mit einer streng feministischen Terroristin gerät zum journalistischen Fiasko.
Der Einkaufsbummel eines dekadenten Ehepaares mündet in unbeabsichtigte philosophische Fragestellungen.
Die von Gewerkschaften hart erkämpfte betriebliche Mitbestimmung erscheint einem Direktor als reine Pest.
Mit Conny Köpp, Carsten Kölln, Christina Holsten, Anne Lange, Annette Bajorat
Wir hören wohl nicht recht !
Gesellschaftskritik im Hörspiel-Doppelpack
Der Hamburger Soziologe Hartmut Lühr `beglückte´ die Hörspielwelt in
den 90er Jahren gleich mit einem Wust an Szenen über die moderne
Gesellschaft. Hat er dabei immer das rechte Maß gefunden, wie man es von
einem verantwortungsbewussten Autoren der Generation Golf erwarten darf
? Zweifel sind angebracht.
Ist es vertretbar, eine politische Extremistin in einem Hörstück von
seiten einer Journalistin lediglich mit Wohlfühl-Fragen beispielsweise
über die `erotisch geladene Atmosphäre´ zwischen den Beteiligten einer
gewalttätigen Aktion zu konfrontieren ? Müsste ein fieser
Rüstungsexporteur von derselben Journalisten nicht wesentlich kritischer
angegangen werden als mit der Frage, ob der Haussegen in seiner
herrschaftlichen Villa durch die Morddrohungen, die bei ihm und seiner
Frau wegen der Verstrickungen seiner Firma in irgendwelche Genozide
eingehen, leidet ? Darf man das hohe Gut der betrieblichen Mitbestimmung
durch die Überzeichnung zweier Betriebsräte in einem Drama über
gewerkschaftliche Machtspielchen in einer Autozubehörfabrik durch den
Kakao ziehen ? Ist es richtig, die Krise der Institution `Ehe´
ausgerechnet durch ein vom Überfluss der Konsumgesellschaft entstelltes
Ehepaar verkörpern zu lassen, das in einer Einkaufspassage unerwartet
mit den Herausforderungen des Seins in Berührung kommt ?
Beantworten Sie sich diese Fragen doch selber ! Einen mp3-Player werden
Sie ja wohl bedienen können, oder ? Somit haben sie keine Ausrede, nicht
in Hörspiel-Szenen á la `Getrübte Einigkeit´, `Gehobene
Narrenfreiheit´ sowie `Geteilte Einsicht´ hineinzuhören und sich ein eigenes Urteil über Gewalt-, Macht- und Ehefragen zu
bilden. Um Authentizitätsfreaks von vornherein den Wind aus den Segeln
zu nehmen, sei an dieser Stelle auch bereits erwähnt, dass die Hörstücke
hauptsächlich in Hamburg-Wandsbek aufgezeichnet wurden. Es ist nicht
auszuschließen, dass ihnen dieses Missgeschick anzuhören ist. Sie
verdienen es dennoch, genau so ernst genommen zu werden, wie andere
Betroffenheitsdramen auch.
Erotisch geladene Atmosphäre bei politischem Extremismus ?
Feministisches Interview als journalistisches Fiasko
Im
schäbigen Hinterzimmer einer drittklassigen Absteige in Duisburg führte
Pamela Volpers-Schreiner von der Frauenzeitschrift `Mago´ kürzlich ein
Interview mit einer der am meisten gesuchten politischen Aktivistinnen
Deutschlands, der Terroristin Eva Gark. Dieses Ereignis hätte leicht ein
Meilenstein für die Versöhnung von Fundamental-Feminismus mit der
Boulevardpresse der Bundesrepublik werden können. Doch die historische
Chance scheiterte leider an der Unfähigkeit der Beteiligten, über den
jeweils eigenen ideologischen Tellerrand zu blicken.
So war die Terroristin Eva Gark immer wieder fassungslos über die sehr
unpolitisch anmutenden Fragen der `Mago´-Mitarbeiterin. Diese
interessierte sich besonders für Einzelheiten aus dem Liebesleben der
hochgefährlichen Frau: „Ich kann mir z.B. gut vorstellen, dass während
Ihrer Aktionen zwischen den Teilnehmern eine gewisse, vielleicht
unterschwellig bestehende, erotisch geladene Atmosphäre herrscht.
Eventuell ja sogar zwischen Ihnen und Ihren Opfern“ ... Die Terroristin
stand solchen Vermutungen vollkommen fassungslos gegenüber: „Sagen Sie
mal, ist das jetzt das neueste Kuriosum auf dem
spätkapitalistischen Arbeitsausbeutungsmarkt ? Sexistische
Journalistinnen ? Sie werden wirklich etwas unsachlich.“ Aber es half
ihr nichts und so musste Frau Gark, nach der der Bundesnachrichtendienst
Gerüchten zufolge mittlerweile in Winsen an der Luhe fahndet,
konsterniert feststellen: „Wirklich sehr bedauerlich, dass ich Ihrer
Kolumne nicht sie heißblütige Amazone darbieten kann, die Ihrer Auflage
zu neuen Höhenflügen verhelfen würde.“ Dieser Sarkasmus rettete sie
jedoch nicht vor der Unterstellung der `Mago´-Redakteurin, sie würde
ihre „elementaren körperlichen Bedürfnisse als weiblicher Mensch“
wegleugnen und heucheln.
Immerhin hat Frau Volpers-Schreiner das Interview überlebt. Es fand ja zum Glück nur als Satire von Hartmut Lühr statt.
Vielleicht ist es ja doch so, dass eine Boulevard-Frauenzeitschrift, wie
die genannte, sich besser mit weiblichen Interessen auskennt als es
rechtschaffenden Gender-Aktivistinnen und erwiesenen Feindinnen des
staatlichen Gewaltmonopols wie Frau Gark recht sein kann. Dennoch ist es ein unzutreffende Beobachtung, dass sich an den beispielsweise in der Hauptstadt regelmäßig stattfindenen politischen Stammtischen nur in seltenen Ausnahmefällen auch Frauen beteiligen.
Eine Traumdeutung
Zwischen Sofa und Bahnhof
In diesem Kurzhörspiel besucht ein unsicherer Mann die Traumdeuterin Celestina, die seinen Traum von einem verpassten Zug als Blockade gegenüber starken Frauen deutet. Sie schlägt vor, einen "Kontakt-Hund" zu haben. Eine mysteriöse Stimme kommentiert die Situation humorvoll. Die Szene endet mit der Ankündigung eines weiteren Träumers, indes Celestina 150 Euro für die Sitzung verlangt, in der Hoffnung auf positive Veränderungen.
In dieser Hörspielszene besucht ein Mann eine Traumdeuterin namens Celestina. Der Mann fühlt sich zu Beginn unsicher, betont jedoch, dass Celestina zum Glück keine Gunstgewerblerin ist. Sie sprechen über Träume, insbesondere einen, in dem der Mann zu spät für seinen Zug kommt. Celestina deutet den Traum als eine Blockade gegenüber starken Frauen und schlägt vor, dass der Mann einen "Kontakt-Hund" haben sollte, um leichter ins Gespräch zu kommen. Eine mysteriöse Stimme aus dem Traum kommentiert die Situation, was zu einer humorvollen Interaktion führt. Die Szene endet mit der Ankündigung eines weiteren Träumers durch die Türklingel. Celestina verlangt 150 Euro für die Sitzung und hofft, dass der Mann positive Veränderungen erleben wird.
Der zu deutende Traum: Ein Mann eilt auf einen Bahnsteig, wo bereits Reisende auf einen verspäteten Zug nach Berlin warten. Der Mann beschwert sich darüber, dass er sich beeilt hat, ohne zu wissen, dass der Zug noch nicht eingetroffen ist. Die Reisenden bestätigen die Verspätung und es entsteht eine kurze Diskussion darüber. Plötzlich ertönt eine Lautsprecherstimme, die die Reisenden auffordert, sich von ihrem bisherigen Leben zu verabschieden. Der Mann vermutet, dass dies das Werk seiner Traumdeuterin namens Celest ist, die in seinen Träumen interveniert.
Die Stimme kündigt die Ankunft eines Zuges an und gibt einen seltsamen Slogan von sich. Die Reisenden sind verwirrt und der Mann betont, dass er nicht beabsichtigt, sich von den Gewissheiten seines bisherigen Lebens zu verabschieden. Eine Reisende macht eine ironische Bemerkung über die Therapeutin des Mannes und die Situation wird zunehmend kurios. Die Stimme behauptet, dass dieses Treffen interessant wird und erwähnt die symbolische Bedeutung von Zügen im Traum. Die Reisende weigert sich, zusätzliche Lasten aufzunehmen, insbesondere wenn es um den verspäteten und einsamen Mann geht. Schließlich kündigt die Lautsprecherstimme die Ankunft des lang ersehnten Zuges an.
Direktor einer Mittelstandsfirma spricht Klartext:
Betriebliche Mitbestimmung ist eine Pest
Der Direktor einer Automobilzubehörfirma vergriff sich im Ton
gegenüber seinen Angestellten. Was zunächst als skandalöser Ausrutscher
in übelster Stammtischmanier erscheint, wird erst beim näheren Hinhören
etwas verständlicher: Die beiden Betriebsräte Frau Schmidt-Paulsen und
Herr Wessel erweisen sich nämlich tatsächlich als Stachel im Fleisch der
Firma `AML - Oberhausen´, der Dr. Freudenberg als Direktor vorsteht.
Am letzten Tag der Arbeitswoche hat es Direktor Freudenberg gehörig die
Laune verhagelt: Ausgerechnet während der Übertragung einer spannenden
Bundestags-Haushaltsdebatte haben zwei von ihm wenig geschätzte
Betriebsräte seines Automobilzulieferunternehmens ihr Erscheinen in
seinem Büro angekündigt.
Eine Ethik-Kommission wollen Frau Schmidt-Paulsen und Herr Wessel seiner
Firma verpassen. Als ob der Direktor nicht wahrlich schon genug andere
Sorgen hätte: Die Überwachungskameras, die er auf dem Betriebsgelände
installieren ließ, sorgen für Unmut innerhalb der Belegschaft. Das
Kinderbetreuungsprogramm für die jungen Eltern unter seinen Angestellten
stellt ihn vor schwierige organisatorische Probleme. Und als ob das
alles nicht schon genügen würde, verteilt ein Ingenieur aus der
Fertigungsplanung unautorisiert Flugblätter mit äußerst fragwürdigem
Inhalt auf dem Werksgelände. Das schlägt dem Fass den Boden aus!
Es kommt wie es kommen muss: In einem schwachen Moment bezeichnet Dr.
Freudenberg die beiden umtriebigen Betriebsräte als Wichtigtuer, die am
liebsten schon morgen die Führung der Firma übernehmen würden, indem sie
seine Kompetenz untergraben nachdem sie mit Hilfe des
Mitbestimmungsrechts gehörig für Chaos gesorgt haben. Die Stimmung ist
vergiftet. Um den Betriebsfrieden wieder herzustellen, hat der Direktor
am Ende einen sehr hohen Preis zu zahlen.
Politischer Essay
Ursachen für moderne Probleme besser vertuschen
Umweltverschmutzung, Armut und Überbevölkerung: Statt für all die modernen Katastrophen krampfhaft
nach Lösungen zu suchen, die ohnehin selten von Dauer sind, sollte man
sich lieber mehr Mühe geben, die Ursachen, die dahinter stecken, besser
zu vertuschen (Jaja, schon klar: Dies liest sich beinahe wie eine Beschreibung des Regierungsstils von Olaf Scholz bzw. Angela Merkel, aber die zugrunde liegenden Hörspiele stammen tatsächlich aus den Neunziger Jahren).
Die Natur hat den Menschen mit der wunderbaren Gabe des geistigen
In-Die-Ferne-Rückens unangenehmer Sachverhalte ausgestattet. Also sollte
man sie doch bitte auch nutzen - wenn es geht, nicht zu knapp. Den Stein des Anstoßes muss man verschwinden lassen. Dann
ist vielleicht endlich Ruhe. Denn die täglichen Katastrophenmeldungen
wirken sich auf sensible Menschen regelrecht lebensverkürzend aus - das
ist inzwischen bewiesen. Also sollte man sich davor schützen, auch wenn
das der Fridays-for-Future-Bewegung oder der AfD vielleicht das Wasser abgraben mag.
Nun könnte man einwenden, dass die anstehenden Probleme durch Verdrängung
bestenfalls nur aufgeschoben und nicht gelöst werden. Sie werden auf
diese Art nur weiter an unsere Kinder gegeben. Aber dabei braucht
niemand ein schlechtes Gewissen zu haben, denn kommende Generationen
werden gegen mögliche Katastrophen mit Sicherheit viel besser gewappnet
sein als wir. Zum Beispiel durch die Gentechnik (Jetzt ist es gesagt! - Siehe auch die aktuell von der Regierung unterstützten Corona-Impfstoffe von
BioNTech, Johnson & Johnson, Moderna und AstraZeneca).
Also 'Augen zu und
durch, mitten hindurch !' und gerne auch ums heiße Eisen herumreden im
Bundestag und den Talkshows bei Lanz, Illner und Maischberger. Richtige
Missstände anzuprangern, traut sich heute ohnehin kaum noch jemand. Es
gibt stets irgendwo eine vom Zeitgeist gehätschelte Minderheit, die sich
dadurch auf die Füße getreten fühlt. Also vorsichtig sein ! Man könnte
ja mit dem elementarsten gesellschaftlichen Konsens kollidieren und das
wäre wirklich ein Unglück und könnte die Populisten von links und rechts
sowie Olaf Scholzs 'Ampel' stärken !
(Zeilen einer weiteren überflüssig gewordene Existenz, die sich in vollen
Zügen dem Missmut über die menschliche Gleichgültigkeit und Ignoranz
gewidmet hat)
FREIHEIT
Übermäßige Freizügigkeit
Es war abzusehen, dass diese übermäßige Freizügigkeit, die man gewissen
Leuten, die das in keiner Weise zu schätzen wissen, gewährt, eines Tages
mit voller Wucht auf einen zurückprallen würde. Aber musste es denn
gleich so schlimm kommen ?
Es scheint gerade eben noch tolerierbar, wenn manche Leute aufgrund
ihrer Unbedarftheit unsere Gesellschaftsordnung als solche ablehnen.
Diese erlegt uns, die wir sie akzeptieren und schätzen, ja immerhin auch
auf, diese Leute nicht sofort aus dem Verkehr zu ziehen. Und die
Versuchung hierfür wäre tatsächlich groß - gerade heutzutage.
Was allerdings zu weit geht, ist, wenn gewisse Leute mit Ihrem
Unschuldslächeln in der Gegend herumläuft und anderen, die bis dato mit
ihrem Leben vollauf zufrieden waren, mit ihren abstrusen Ideen absolut
überflüssige Selbstzweifel ins Hirn setzt. Vor allem, wenn diese anderen
nie geklagt haben - jedenfalls nicht, wenn man sie nicht direkt auf
ihre mangelnde Lebensfreude hin angesprochen hat.
Viele Menschen sind vermutlich nicht imstande, sich auszumalen, in was
für ein Chaos dieses Land geraten würde, wenn selbst schon die
simpelsten Gemüter, die schließlich das Fundament der Gesellschaft
bilden, plötzlich damit beginnen würden, den Status quo auf den Kopf zu
stellen. Man denke nur an die ganzen Familien, die Ehen, die Greise, die
Kinder - sie müssen irgendwoher geschützt werden.
Nachdenken - was heißt das schon ? Wir haben doch wohl alle mal einen
nachdenklichen Tag ... . Deshalb muss sich noch lange nichts ändern -
und schon gar nichts Bewährtes. Wobei man zugeben muss, dass auch
Routine und Gewohnheit töten können: Sie können Gefühle töten mit der
Zeit. Und sie schrecken beispielsweise nicht davor zurück, die Liebe in
einer Ehe zu töten. Allerdings ist auch niemand dazu verpflichtet, um
jeden Preis zufrieden zu sein.
ÜBERDRUSS
Wachsende Selbstzweifel
Viele Menschen machen sich etwas über ihre Unentbehrlichkeit in ihrem
Beruf etwas vor: Sie sind entbehrlich - jeder ist mehr oder weniger
entbehrlich. So etwas muss man einfach akzeptieren, dann kommt man
besser zurecht, langfristig. Jeder ist ersetzbar und letztlich auch nur
ein Rad im Getriebe. Das festzustellen dauert häufig lange. Aber so
schlimm ist es gar nicht.
Dann wird einem auf einmal klar: Die Linken sind Schuld. Natürlich !
Dass man da nicht schon früher drauf gekommen ist ! Alleine schon diese
Terminologie: „Rad im Getriebe“ - Das ist doch typischstes
Gewerkschaftskauderwelsch ! Man fragt sich unwillkürlich: Warum
diskutieren linke Unruhestifter ihre Ansichten nicht einfach mit
irgendwelchen Hausbesetzern aus und verschonen andere in Zukunft mit
derlei Gedankengut ? Sie sollen gefälligst jemand anderes agitieren !
Wenn man auch mit Ehe und Beruf unzufrieden ist, so hat man doch zum
Glück noch seine Kinder. Die bleiben einem schließlich trotz aller
Zweifel. Das ist doch ein Trost. Aber die Vorstellung, ein Teil von
einem würde nach dem Tod in ihnen weiterleben, ist doch eigentlich
ziemlich absurd, wenn man mal in Ruhe darüber nachdenkt. Und es gibt
auch kein Leben nach dem Tod. Für einen selber nicht und für andere auch
nicht. Für niemanden, denn es gibt auch keinen Gott.
Solche blasphemischen Ansichten wird man eines Tages noch bereuen. Bis
dahin geht es weiter, wie bisher. Was soll schon sein ? Man hat sich
endlich wieder unter Kontrolle. Nur - wie man das so sieht - werden
diese Erkenntnisse keine Auswirkungen auf den Lebensstil der Betroffenen
haben. Man hat eben selber miterlebt, dass es möglich ist,
bodenständige Menschen - wie oben bereits konstatiert: die Grundpfeiler
unserer Gesellschaftsordnung - dazu zu bringen, dass sie das bewährte
System anzweifelt. Das ist doch eigentlich erschreckend.
Können moderne Menschen denn wirklich erst zufrieden sein, wenn sie alles unter Kontrolle haben ?
PRESTIGE
Moderner politischer Journalismus
Ob es heutzutage noch mit nennenswertem Berufsethos verbunden ist, ein
politischer Journalist zu sein ? Zweifel sind angebracht:
In publizistischen Kreisen benutzen die Herren der Schöpfung
wahrscheinlich schon fast genauso viele Duftwässerchen, wie die Frauen.
Dass sie dabei zu dem Duft auch gleich noch nach fortgeschrittener
Dekadenz riechen, dürfte für sie dabei kaum eine Rolle spielen - Wenn
sie es überhaupt bemerken.
Ihre Realität ist mit Sicherheit unblutiger als die radikaler
politischer Aktivisten. Denen gegenüber mokieren sich bürgerliche
Journalisten gerne, dass diese auf ihrem Weg einer angeblich besseren
Gesellschaft entgegen etwas viele Tote zurücklassen. Und zwar nicht nur
zahlenmäßig, sondern auch ethisch. Und diese Empörung passiert zu
Recht, denn es hat natürlich Opfer gegeben. Radikale Politische
Ideologien müssen sich Ihren Weg in die Realität eben leider oft erst
mit Brachialgewalt erschließen, um in das Bewußtsein der schweigenden
Masse vorstoßen zu können - werden die interviewten politischen Rowdies
dann vermutlich anmerken. Und investigative Journalisten werden dann
feststellen, dass sie das so aber nun wirklich nicht schreiben können.
Und zwar selbst wenn sie es überaus interessant finden, am Rande der
Legalität unter konspirativen Umständen ein Interview mit radikalen
Politik-Freaks führen zu können. Sie werden sich entsinnen, dass es im
Grunde bürgerliche Medien sind, für die sie schreiben, was den
Polit-Hasardeuren ja auf der anderen Seite immerhin auch die Möglichkeit
verschafft , über Ihren sonstigen Wirkungskreis hinaus Aufmerksamkeit
zu erregen.
Für die Leserschaft des `Hamburger Abendblattes´ oder `Der Zeit´ sind
die menschlichen Aspekte ihres Handelns sicher interessanter als
ideologische Statements. Gerade weil sie für ein sich gutinformiert
haltendes Publikum arbeiten, welches vor allem an Backroundinformationen
interessiert ist.
CYBERROOM
Computer sagt: `Arrogantes Arschloch !´
Wie könnte sich ein Verkaufsgespräch für einen Virtual-Reality-Helm gestalten ? Was könnte eine künstliche Verkäuferin einem Unentschlossenen einflüstern ?
Worauf warten wie denn noch ? Kommen sie, stöpseln Sie sich endlich ein ! Dieses Gerät ist das Neueste auf dem Gebiet. Sie werden sehen: Im Nu sind sie dieser Welt entflogen. Diese niederen Alltagsgepflogenheiten, diese spießigen zwischenmenschlichen Umgangsformen: Das alles wird für ein paar Stunden aus ihrem Leben verschwinden.
Auch wenn sie vielleicht denken mögen `Ich habe mich aber eigentlich daran gewöhnt. Ich kenne es doch gar nicht anders !´, wird das nichts daran ändern, dass jeder, der den virtuellen Trend verschläft, ein arrogantes Arschloch ist. Niemand kommt unbeschadet an dieser neuen Entwicklung vorbei. Wer da nicht mitmacht, scheidet über kurz oder lang aus dem Rennen. So ist das nun einmal in unserer liebgewonnenen Wettbewerbsgesellschaft. Da sollte sich hinterher niemand beklagen. Und wenn sie vielleicht einwenden mögen, dass sie nicht gerade den Drang verspüren, sich an diesen Apparat anzuschließen und dies mit den Worten `Ich glaube, ich brauche so ein Gerät nicht´ ausschmücken, kann ich nur ehrlich erwidern: Wollen sie mich jetzt auf den Arm nehmen ? Sie können mir doch nicht erzählen , dass einer wie sie seinem Alltag ohne technische Behilfsmittel auch nur einen minimalen Lustgewinn entlocken kann. Das würde ich ihnen so brutal auch niemals ins Gesicht sagen, hielte ich nicht gleichzeitig hier in meinen Händen den ganz persönlichen Fluchtweg aus dieser Tristesse für sie bereit. Gerade für Leute wie sie werden diese Geräte doch gebaut ! Also was ist ? Wollen sie sich jetzt einstöpseln oder nicht ? Ich frage sie das ganz unabhängig davon, ob ich sie jetzt für einen Versager halte oder nicht.
Letzteres würde sich allerdings leider nur wieder ein weiteres Mal bestätigen, wenn sie auch diese neue Entwicklungsstufe, die da so erwartungsvoll vor Ihnen liegt, verpassen. Sie werden es nicht bereuen.
EINSAME HERZEN
Urlaub in Irland
Mein Urlaub im Frühling mit Peter in Irland: Auf den hätte ich glatt verzichten können ... ich meine, auf Peter. Was ursprünglich dazu gedacht war, eine Beziehung zu festigen, entpuppte sich schnell als Versuch, neue Abhängigkeiten zu schaffen, nachdem die alten langsam ihre Wirkung verloren hatten.
Also, von der landschaftlichen Schönheit hatte ich jedenfalls nicht soviel als ich ihm erklären musste, dass ich zugunsten seiner, in meinen Augen moralisch fragwürdigen Tätigkeit als leitender Angestellter einer Großbank und zwecks Gründung einer Kleinfamilie nicht bereit wäre, meine Arbeit in der Beratungsstelle für die Opfer allzu emotionalisierter Rechtsprechung bei Eigentumsdelikten aufzugeben. Das führte dann natürlich zwangsweise zur Beendigung unserer Beziehung.
Nur gut, dass die Zimmer in der Pension dicke Wände hatten ! Das war so eine richtig urig umgebaute irische Kate. Und so ein lautstark ausgetragender Streit ist schließlich nicht in jedem Fall für sämtliche Zuhörende ein Gewinn - selbst in so einer kuscheligen Abgeschiedenheit mit endlos viel Moos mit einem herum.
Als ob es etwas Wichtigeres geben könnte als in einem Land, in dem Eigentum das höchste Gut darstellt, die armen Schweine, die an seiner scheinbar ungerechten Aufteilung zu rütteln versuchen, vor der gnadenlosen Verfolgung der hiesigen Justiz in Schutz zu nehmen ! Aber habe ich andererseits durch meine emanzipierte Entscheidung und die daraus resultierende Trennung von meinem Freund damals nicht eigentlich nur meine Freiheit zurückgewonnen, auf dem Markt der einsamen Herzen mein Fleisch erneut mit gutem Gewissen zwecks Kontaktaufnahme zur Schau tragen zu können ? (Prickelnd, wenn man es versteht, die One-Night-Stands, neben denen man morgens aufwacht und deren Namen man möglichst bald wieder vergessen möchte, zu verdrängen)
PHILOSOPHIE
Der Laden menschlichen Zusammenlebens
Ich las neulich in einem dieser Hochglanzmagazine, dass die Anzahl von verhängnisvollen Persönlichkeitsspaltungen bei Jugendlichen in den letzten drei Jahren stark rückläufig war - und das hat mich beruhigt. Sie spalten Atome, sie spalten Gesellschaften und sie spalten Persönlichkeiten. Wohin führt uns das eines Tages ?
Das Chaos ist vorprogrammiert. Man scheint sich den Zeitpunkt seines Eintreffens ja auch sehnlichst herbeizuwünschen, denn sonst hätte man doch schon längst irgendeine Organisation ins Leben rufen müssen, die diese Entwicklung noch rechtzeitig von uns abwenden kann. Und wer ist Schuld an dieser gespannten Lage ? Wer hat ein Interesse daran, dass der Laden menschlichen Zusammenlebens vor die Hunde geht ?
Die Frage, die sich hier stellt, lautet doch ganz nüchtern betrachtet so: Warum erleidet die menschliche Zivilisation ausgerechnet in unserem Beisein -im auslaufenden 20. Jahrhundert- ihren großen Kollaps ? Der Mensch tritt wegen seiner Versäumnisse von der Weltbühne ab - einverstanden. Aber wer, muss man da doch fragen, sitzt in den Startlöchern bereit, dessen Part zu übernehmen ? Und ihn besser zu spielen, denn darauf kommt es doch wohl an !
Sicher sein, dass die vom Neuzeitmenschen beeinflußte Evolution seiner selbst zu einem wirklich würdigen Ziel führen wird, können wir ohnehin erst, wenn der Garten Eden eines Tages seine Pforten für die menschliche Spezies wieder öffnet. Der Fehler, den Eva seinerzeit im Paradies beging, war zwar folgenreich und tragisch; Er liegt aber doch schon so unsäglich lange zurück,
dass sich von den jungen Dingern aus unserer Epoche wohl kaum noch eine darauf besinnen und denselben Fehlgriff glatt noch einmal tätigen würde. Und was würde dann wohl mit der Menschheit geschehen ?
Die himmlische Strafe für eine Rasse von kollektiven Wiederholungstätern müßte ja alleine schon aus pädagogischen Gründen ungleich einschneidender ausfallen als beim ersten Mal. Das wäre dann ein peinliches Szenario.
SELBSTSCHUTZ
Mit den Verhältnissen arrangieren
Manche Leute haben wirklich erschreckend wenig Ahnung davon, was Sache ist, wohin die Welt steuert und wie man sich dabei am besten mit den Verhältnissen arrangiert.
Nehmen wir doch zum Beispiel einmal die Umweltverschmutzung, die Armut und die Überbevölkerung: Statt für diese ganzen modernen Katastrophen krampfhaft nach Lösungen zu suchen, die eh´ nie von Dauer sind, sollte man sich lieber mehr Mühe geben, die Ursachen, die dahinter stecken, besser zu vertuschen. Die Natur hat den Menschen schließlich mit dieser wunderbaren Gabe des geistigen In-die-Ferne-Rückens unangenehmer Sachverhalte ausgestattet. Also sollte man sie doch auch nutzen. Den Stein des Anstoßes, den muss man einfach verschwinden lassen. Dann ist vielleicht endlich Ruhe! Diese täglichen Katastrophenmeldungen wirken sich auf sensible Menschen doch regelrecht lebensverkürzend aus. Also muss man sich davor schützen: Reine Notwehr.
Nun könnte man einwenden, dass die anstehenden Probleme durch Verdrängung doch bestenfalls nur aufgeschoben und nicht gelöst werden: Die werden dann nur weitergegeben an unsere Kinder. Aber dabei braucht man(n) und frau schließlich überhaupt kein schlechtes Gewissen zu haben, denn kommende Generationen werden gegen mögliche Katastrophen mit Sicherheit viel besser gewappnet sein als wir. Zum Beispiel durch die Gentechnik, die famose. Das wird sich später bestimmt noch einmal auszahlen, dass wir heute jede Kritik daran im Atomkern ersticken.
Also einfach nicht so genau hinsehen ! Oder besser noch: Augen zu und durch, mitten hindurch.Was auch kommen mag ! Da kommt sowieso mit hundertprozentigem Verlaß zum ungeeignetsten Zeitpunkt immer nur das im Augenblick gerade Unpassenste.
(Ausführungen einer Existenz, die sich in vollen Zügen dem Missmut über die menschliche Gleichgültigkeit und Ignoranz gewidmet hat)
PLÄDOYER
Vollrausch für Volksvertreter ?
Wenn sie sich einmal die Alltagsarbeit eines Abgeordneten oder einer Abgeordneten vor Augen halten: Gewinnen Sie da nicht den Eindruck, dass das ein ganz frustrierender und nervtötender Beruf sein muss ? Und das womöglich sieben Tage die Woche ! Das politische Leben kommt doch schließlich auch an Sonntagen nicht zur Ruhe. Sowas kann man durchaus einmal anerkennen.
Die Dauerbelastung für unsere Parlamentarier: Die muss doch die Lebensqualität dieser Leute mit Sicherheit ganz schön senken. Niemals abschalten zu können mit der Familie in der sauer verdienten Villa im Grünen; ständig bereit, irgendwelchen neugierigen Journalisten ihre hyperkritischen Fragen zu beantworten; immer auf der Hut vor noch so einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß, der penetrant versucht, irgendwelche verlorengegangenen Steuermillionen aufzuspüren. Das muss absolut deprimierend sein !
Also kann man es durchaus nachvollziehen, wenn unsere gewählten Volksvertreter unter dieser Belastung zu harten Drogen greifen müssen, um das Tag für Tag durchzustehen. Also Kokain gesetzlich endlich freigeben oder wenigstens Hasch ? Aber wenn man´s genau nimmt, ist das doch eigentlich alles Kinderkram. Drogen für asoziale Zukurzgekommene. Zu denken wäre da eher an die Stoffe, die den menschlichen Geist, bzw. das, was von ihm noch übriggeblieben ist, wirklich zu beflügeln ver mögen: Macht und Korruption, aber Macht vor allem. Als Rauschmittel sowie als Aufputschmittel.
Und alle die dagegen zu Felde ziehen, darüber Enthüllungsberichte publizieren und sich dabei immer wieder auf´s Neue entrüsten sind im Grunde nur neidisch und frustriert. Weil sie nämlich genau wissen, dass sie selber während ihres durch schnittlichen irdischen Daseins niemals in den Genuß dieser Wundermittel kommen werden. Aus den ständigen Presseattacken gegen bestechliche Parlamentarier spricht lediglich so etwas wie Futterneid.
RANDGRUPPEN
Schaufenster der Selbsterkenntnis
Ein Clochard, der vorm Kaufhaus neben dem Schaufenster saß, hat `du Flittchen´ zu mir gesagt. Einfach so ! Das hat mich zunächst erschrocken. Aber andererseits: Wenn einer da so Tag für Tag vor einem Kaufhaus sitzt, dann entwickelt er wahrscheinlich mit der Zeit langsam einen Blick für gelangweilte Ehefrauen. 'Gelangweilt' ist gar kein Ausdruck !
Will ich dem Mann vielleicht den Mund verbieten, nur weil er auf seine Art versucht, mir ein eine unangenehme Wahrheit mitzuteilen ? Hat er nicht ebenso wie alle ein Anrecht darauf, zu sagen, was er denkt ? So ein guter Mensch – wenn man darüber nachdenkt ! Und seine tiefen Einsichten behält er auch nicht einfach nur für sich - Er teilt sie einem mit in seiner schlichten Gossensprache.
Ich bin dankbar dafür, dass mich jemand in meiner Rolle als unerschrockene Konsumentin erkannt und nachhaltig bestärkt hat. Und das einfach nur so nebenbei, im Vorübergehen ! Wirklich beeindruckend... . Ich glaube, so ein Denkanstoß war schon seit längerem einmal fällig bei mir. Da spielt es genaugenommen eigentlich gar keine Rolle, ob der einem nun so provokant uncharmant vorgetragen wird oder in einem zivilisierter gehaltenen Umgangston. Wieviel wiegt schließlich ein derartig spontanes, ehrliches Werturteil im Vergleich zu den gewohnten Routinekomplimenten innerhalb einer festgefahrenen Ehe ?
Die Balance eines gemütlichen Einkaufsbummels beispielsweise kann sehr leicht durcheinandergeraten und ehe man es sich versieht, hat man auf einmal einen handfesten Streit. Das geht oft schneller als man im allgemeinen so vermutet. Es kriselt sicher in so mancher nach außen hin abgesichert erscheinenden Ehe. Gerade heutzutage, das weiß man doch!
Allerdings muss man sich aber trotzdem nicht ständig und schon gar nicht beim Einkaufen mit diesen Auflösungserscheinungen unserer gesellschaftlichen Keimzellen auseinandersetzen … genügt schließlich, wenn diese geteilte Einsicht im Hörspiel stattfindet.