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Kinder hören anders

Audiokassetten sind für Kinder zwischen 4 und 12 Jahren nahezu das Unterhaltungsmedium schlechthin. Was ihre Reichweite anbelangt, übertreffen Hörspielkassetten sogar das Fernsehen. Auch geben Kinder einen nicht unerheblichen Teil ihres Taschengeldes für Hörspiele aus. Die bundesdeutschen Haushalte mit Nachwuchs sind daher in ihrer übergroßen Mehrheit mit Kassetten aller Couleur ausgestattet, zumal die Mehrzahl der Sprößlinge heutzutage einen eigenen Rekorder besitzt.

Hörspiele sind für Kinder nicht zuletzt deshalb besonders attraktiv, weil sie parallel zu anderen Tätigkeiten als `Geräuschkulisse´ bzw. `Klangtapete´ genutzt werden können. Auf diese Weise werden gerade bei Kindern berufstätiger Eltern Gefühle des Alleinseins zurückgedrängt. Auch wegen dieser Funktion ist es für diese Hörergruppe offenbar wichtig, "ihre" Hörspiele selber zu besitzen: Es werden z.B. verhältnismäßig wenig Kassetten in öffentlichen Büchereien entliehen, obwohl diese oft über ein akzeptables Angebot an Kindertonträgern verfügen - hier wird die starke emotionale Bindung der Kinder an ihre Hörspielhelden greifbar.

Die Bedienung eines Kassettenrekorders ist für Heranwachsende im Gegensatz z.B. zum Videorekorder oder gar zum PC relativ unproblematisch. Deshalb ermöglicht der Konsum von Tonkassetten Kindern ein hohes Maß an Selbstbestimmung, was diese Art des Zeitvertreibs angeht. Die Eltern haben hierauf im Gegensatz zu anderen Medien wenig Einfluß: Der Kassettenrekorder steht im Kinderzimmer und was wann, wobei und wie oft gespielt wird, das bestimmen Tochter oder Sohn allein.

Eine gerade für Kinder bedeutsame Eigenschaft des Mediums Hörspielkassette ist die Möglichkeit, als besonders intensiv oder einfach auch nur als schön erlebte Szenen immer wieder aufs Neue abspielen zu können. Gegenüber dem `unbeständigen´ Medium Fernsehen können so zum einen Inhalte besser verarbeitet werden. Da Hören zum anderen besonders für Kinder ein emotionales Erlebnis ist, vermag gerade die erlebte ständige Wiederhol- und somit Verfügbarkeit positiver Stimmungen dem Kind eine gewisse Sicherheit zu vermitteln. Es hat jederzeit die Möglichkeit, sich in die Phantasiewelt des Hörspiels zurückziehen zu können - dabei ist es egal, ob dies auch tatsächlich wahrgenommen wird. Manche Kinder nutzen die Hörspielkassette sogar ganz bewußt dazu, negative Ereignisse aus Schule oder Familie aus ihrem Alltag zurückzudrängen und die eigene Stimmung positiv zu beeinflussen.

Auch ein Kind besitzt einen Anspruch auf einfache Unterhaltung: Nicht jedes "anspruchslose" und Kurzweil versprechende Hörspiel ist automatisch negativ zu sehen. Folgende Kriterien könnten sich zur Wertung von Kinderhörspielen als sinnvoll erweisen:

- wie in der jeweiligen Produktion mit dargestellter Gewalt umgegangen wird,

- ob die jeweilige Produktion in ihrer Machart den Kindern genügend Raum für eigene Phantasien läßt,

- ob traditionelle Geschlechterrollen durch die tragenden Charaktere zementiert oder relativiert werden.




Teile dieses Artikels erschienen vorab in diversen HÖRWELT-Ausgaben und wurden von Hartmut Lühr verfasst.
 

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