Initiative `Wir-sind-wichtig - Der Wirtschaft zuliebe !´C. Kölln und C. Köpp bei den Aufnahmen zu `Gehobene Narrenfreiheit´ (1996) in Hamburg-Eilbek




HÖRSPIEL-SCRIPT

Getrübte Einigkeit

(Teil I - II - III - IV - V - VI - VII - VIII - IX - X)


"Ignoranz, Borniertheit oder Durchblick ?"




LINDA Manche Leute haben ja wirklich erschreckend wenig Ahnung davon,

was Sache ist, wohin die Welt steuert und wie man sich dabei am

besten mit den Verhältnissen arrangiert.

Nehmen wir doch zum Beispiel einmal die Umweltverschmutzung,

die Armut und die Überbevölkerung: Statt für diese ganzen modernen

Katastrophen krampfhaft nach Lösungen zu suchen, die eh´ nie von

Dauer sind, sollte man sich lieber mehr Mühe geben, die Ursachen,

die dahinter stecken, besser zu vertuschen.

ARNO Finden Sie das logisch ?

LINDA Na, unbedingt ! Die Natur hat den Menschen schließlich mit dieser

wunderbaren Gabe des geistigen In-die-Ferne-Rückens unangenehmer

Sachverhalte ausgestattet. Also sollte man sie doch bitte auch nutzen.

Wenn´s geht, nicht zu knapp.

ARNO Ich weiß nicht.

LINDA Aber ich ! Den Stein des Anstoßes, den muss man einfach verschwinden

lassen. Dann ist vielleicht endlich Ruhe.

ARNO Wem wäre denn Ihrer Meinung nach damit geholfen ?

LINDA Na, mir natürlich ! Ganz klar mir selber ! Diese täglichen Katastrophen-

meldungen wirken sich auf sensible Menschen wie mich doch regel-

recht lebensverkürzend aus, da bin ich mir sicher. Also muss ich mich

davor schützen: Reine Notwehr.

ARNO Aber die anstehenden Probleme werden durch Verdrängung doch

bestenfalls nur aufgeschoben und nicht gelöst. Die geben wir dann

nur weiter an unsere Kinder.

LINDA Und dabei brauchen wir schließlich überhaupt kein schlechtes

Gewissen zu haben, denn kommende Generationen werden gegen

mögliche Katastrophen mit Sicherheit viel besser gewappnet sein als

wir. Zum Beispiel durch die Gentechnik, die famose.

Das wird sich später bestimmt noch einmal auszahlen, dass wir heute jede Kritik daran im Atomkern ersticken. Denken Sie an meine Worte !

ARNO Aha !

LINDA Verstehen Sie: Einfach nicht so genau hinsehen ! Oder besser noch:

Augen zu und durch, mitten hindurch.

ARNO Was auch kommen mag !

LINDA Da kommt sowieso mit hundertprozentigem Verlaß zum ungeeignetsten

Zeitpunkt immer nur das im Augenblick gerade Unpassenste.

Das ist doch wirklich immer so !

ARNO Ich würde jetzt gerne das Thema wechseln.

LINDA Ich nicht !

ARNO Ach ! Wir reden hier schließlich auch nur ums heiße Eisen herum.

Richtige Mißstände anzuprangern: Das traut sich doch heute kaum

noch jemand. Es gibt ja schließlich immer irgendwo eine vom Zeitgeist

gehätschelte Minderheit, die sich dadurch auf die Füße getreten fühlt.

LINDA Mensch, bei Ihnen hat sich aber was angestaut !

ARNO Immer vorsichtig sein: Man könnte ja mit dem elementarsten gesell-

schaftlichen Konsens kollidieren.

LINDA ironisch: Das wäre aber auch ein Unglück !

RICHARD Hört sich ja alles recht einleuchtend an.

ARNO Wenn Sie wüßten, von wievielen Leuten ich wegen meiner Art, die

Dinge zu sehen, schon angefeindet worden bin !

LINDA Menschen wie Sie müssen immer mit Widerstand rechnen.

RICHARD Das glaube ich auch. Aber ich möchte Arno trotzdem noch etwas fragen.

ARNO Bitte.

RICHARD Was ist, wenn du dich irrst ?

LINDA Was soll dann schon groß sein ? Eine weitere überflüssig gewordene

Existenz, die sich in vollen Zügen dem Mißmut über die menschliche

Gleichgültigkeit und Ignoranz gewidmet hat.

ARNO Danke !

LINDA Wir wollen schließlich realistisch bleiben. Und wen -außer Ihnen selbst-

wird es schon kümmern ?

ARNO Niemanden. Ich bin sicher !

RICHARD Diese ungetrübte Einigkeit, die ihr beide ausstrahlt ! Und dabei kennt

ihr euch doch auch noch gar nicht so lange, stimmt´s ?

LINDA Du bist hier und heute halt ganz einfach zum Zeugen einer spontanen

Seelenverwandtschaft geworden. So etwas passiert täglich millionen-

fach, ohne dass es irgend jemand merkt.

RICHARD Naja, solange sie niemandem schadet !

ARNO Niemandem ! Höchstens den Personen, die durch bewußtes Ver- schweigen von Mißständen die wahre Situation verschleiern wollen.

LINDA Zeigen wir uns diesen Fehlgeleiteten gegenüber also nachsichtig

-uns bleibt nicht mehr viel Zeit- und schweigen wir.

RICHARD Gut, beenden wir unser Gespräch schweigend.

ARNO Von mir aus !





Download der Hörspiel-Vertonung von 1994/95: Anhören
(Ausschnitt aus 'Deutschland Dekadent I')






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