HÖRSPIEL-SCRIPT
Getrübte Einigkeit
(Teil I - II - III - IV - V - VI - VII - VIII - IX - X)
"Computer sagt: `Arrogantes Arschloch´"
Linda als MODERNISTIN
Richard als SKEPTIKER
MODERNISTIN Worauf warten Sie
denn noch ? Kommen Sie, stöpseln Sie sich end-
lich
ein ! Dieses Gerät ist das Neueste auf dem Gebiet. Sie werden sehen:
Im Nu sind Sie dieser Welt entflogen.
Diese
niederen Alltagsgepflogenheiten, diese spießigen
zwischenmenschlichen
Umgangsformen: Das alles wird für ein
paar Stunden aus Ihrem Leben verschwinden.
SKEPTIKER Ich habe mich aber
eigentlich daran gewöhnt. Ich kenne es doch gar
nicht
anders !
MODERNISTIN Sie sind vielleicht
ein arrogantes Arschloch ! Meinen Sie im Ernst,
Sie
kommen unbeschadet an dieser neuen Entwicklung vorbei ?
SKEPTIKER Für so
bedeutend halten Sie den virtuellen Trend ?
MODERNISTIN Wer da nicht
mitmacht, scheidet über kurz oder lang aus dem Rennen.
So
ist das nun einmal in unserer liebgewonnenen Wettbewerbsgesell-
schaft.
Tun Sie sich da hinterher bitte nicht beklagen !
SKEPTIKER Ich weiß
wirklich nicht: Diese ganzen Leitungen und Sensoren !
Eigentlich
verspüre ich nicht gerade den Drang, mich an diesen Appa-
rat
anzuschließen. Ehrlich: Ich glaube, ich brauche so ein Gerät
nicht.
MODERNISTIN lachend:
Entschuldigen Sie: Aber wollen Sie mich jetzt auf den Arm
nehmen
?
Sie können
mir doch
nicht erzählen
, dass
einer wie
Sie seinem Alltag ohne technische Behilfsmittel auch nur
einen minimalen Lustgewinn entlocken kann.
Das
würde ich Ihnen so brutal auch niemals ins Gesicht sagen,
hielte ich nicht gleichzeitig hier in meinen Händen den
ganz persönlichen Fluchtweg aus dieser Tristesse für Sie
bereit.
SKEPTIKER Ach ja ?
MODERNISTIN Gerade für
Leute wie Sie werden diese Geräte doch gebaut !
Also
was ist ? Wollen Sie sich jetzt einstöpseln oder nicht ?
SKEPTIKER Wenn ich Sie
richtig verstanden habe, halten Sie mich also für einen
Versager.
MODERNISTIN Welches sich leider
nur wieder ein weiteres Mal bestätigen würde,
wenn
Sie auch diese neue Entwicklungsstufe, die da so erwartungs-
voll
vor Ihnen liegt, verpassen.
SKEPTIKER Naja, dann habe
ich wohl keine andere Wahl.
MODERNISTIN Sie werden es nicht
bereuen.
DORIS Was ich denn
nun eigentlich persönlich davon habe, mich für Richard
dermaßen
einzusetzen ? Och, eigentlich nichts.
Es
ist ja letztlich auch nicht nur für Richard:
Ich
sehe mich da schon ganz gerne in der Tradition von Frauen -von
starken
Frauen-, die solche Naivlinge davon abhalten, sich vor einem
Publikum,
welches diese chronischen Verlierertypen natürlich
abgrund-
tief
verachtet, lächerlich zu machen.
Ein
bißchen muss ich schließlich auch aufpassen,
dass vor lauter
Selbst-
losigkeit
wenigstens ein paar vorteilhafte Eindrücke von mir meinen
reizüberfluteten
Zeitgenossen in Erinnerung bleiben.
Das
sind alles vielleicht keine sehr tiefen Einsichten, aber kann ich
denn
etwas dafür, wenn Richard und diese langweiligen Normalos
partout
keinen Stoff für irgendwas Dramatischeres hergeben ?
Kurze
Pause.
Bin
ich jetzt vielleicht doch etwas ungerecht ?
Selbstherrlich vielleicht ?
Ideologisch
überversiert ?
RICHARD zustimmend:
Hm, hm !
DORIS Richard !
Fällst Du mir jetzt etwa in den Rücken, ausgerechnet Du ?
RICHARD Ich könnte
mir schon vorstellen, dass Linda,
wenn sie einen Beruf hätte,
der
ihr die Möglichkeit böte, mit der Zeit zu einer etwas
kritischeren
Einstellung
zu gelangen, vielleicht nicht mehr ganz so engstirnig durch
die
Weltgeschichte laufen würde.
DORIS Na, dann
träum´ mal schön weiter, Richard !
RICHARD Und du, Doris ?
Meinst du, Du bist wirklich hundertprozentig dagegen
gefeit,
dich irgendwann einmal in einen richtigen Macho zu verlieben ?
DORIS Oh, ja ! Das
meine ich allerdings !
RICHARD So einem, dem du
mit Worten nicht beikommen kannst:
Einem
Bergsteiger, ´nem Soldaten oder einem Boxer, z.B. !
DORIS Einem Boxer ?
Glaubst Du vielleicht, ich hab´ was übrig für
Neandertaler ?
Und
für so einen vermutlich auch noch alles andere aufgeben, was ?
RICHARD Genau !
DORIS Herrje,
Richard !
RICHARD So einer weiß
bestimmt, was er will - Im Gegensatz zu mir.
DORIS Aber was will
denn so ein Boxer, so ein
Soldat, Richard ? Die Welt
verbessern
?
RICHARD Aber was willst
du denn, Doris ?
Leute wie mich verteidigen, in Schutz
nehmen,
das ist ja vielleicht eine
Sache; Das kann dem Selbstbewußt-
sein
einer modernen Frau eventuell durchaus schmeicheln, sehe ich ein.
Aber
mal ehrlich: Würdest Du wirklich mit einem Weichei wie mir zu-
sammenleben
wollen ?
DORIS Zusammenleben
? Wer sagt denn was von Zusammenleben ?
Das
ist doch spießig und überholt.
RICHARD Findest Du ?
DORIS erleichtert:
Wunderbar, dass mir das eben noch eingefallen ist !
RICHARD Das freut mich
für dich.
DORIS Ach, Richard
!
Download der Hörspiel-Vertonung von 1994/95: Download
(Autorenproduktion)