Initiative `Wir-sind-wichtig - Der Wirtschaft zuliebe !´C. Kölln und C. Köpp bei den Aufnahmen zu `Gehobene Narrenfreiheit´ (1996) in Hamburg-Eilbek




HÖRSPIEL-SCRIPT

Getrübte Einigkeit

(Teil I - II - III - IV - V - VI - VII - VIII - IX - X)


"Computer sagt: `Arrogantes Arschloch´"



Linda als MODERNISTIN

Richard als SKEPTIKER


MODERNISTIN Worauf warten Sie denn noch ? Kommen Sie, stöpseln Sie sich end-

lich ein ! Dieses Gerät ist das Neueste auf dem Gebiet. Sie werden sehen:

Im Nu sind Sie dieser Welt entflogen.

Diese niederen Alltagsgepflogenheiten, diese spießigen zwischenmenschlichen

Umgangsformen: Das alles wird für ein paar Stunden aus Ihrem Leben verschwinden.

SKEPTIKER Ich habe mich aber eigentlich daran gewöhnt. Ich kenne es doch gar

nicht anders !

MODERNISTIN Sie sind vielleicht ein arrogantes Arschloch ! Meinen Sie im Ernst,

Sie kommen unbeschadet an dieser neuen Entwicklung vorbei ?

SKEPTIKER Für so bedeutend halten Sie den virtuellen Trend ?

MODERNISTIN Wer da nicht mitmacht, scheidet über kurz oder lang aus dem Rennen.

So ist das nun einmal in unserer liebgewonnenen Wettbewerbsgesell-

schaft. Tun Sie sich da hinterher bitte nicht beklagen !

SKEPTIKER Ich weiß wirklich nicht: Diese ganzen Leitungen und Sensoren !

Eigentlich verspüre ich nicht gerade den Drang, mich an diesen Appa-

rat anzuschließen. Ehrlich: Ich glaube, ich brauche so ein Gerät nicht.

MODERNISTIN lachend: Entschuldigen Sie: Aber wollen Sie mich jetzt auf den Arm

nehmen ? Sie können mir doch nicht erzählen , dass einer wie Sie seinem Alltag ohne technische Behilfsmittel auch nur einen minimalen Lustgewinn entlocken kann.

Das würde ich Ihnen so brutal auch niemals ins Gesicht sagen, hielte ich nicht gleichzeitig hier in meinen Händen den ganz persönlichen Fluchtweg aus dieser Tristesse für Sie bereit.

SKEPTIKER Ach ja ?

MODERNISTIN Gerade für Leute wie Sie werden diese Geräte doch gebaut !

Also was ist ? Wollen Sie sich jetzt einstöpseln oder nicht ?

SKEPTIKER Wenn ich Sie richtig verstanden habe, halten Sie mich also für einen

Versager.

MODERNISTIN Welches sich leider nur wieder ein weiteres Mal bestätigen würde,

wenn Sie auch diese neue Entwicklungsstufe, die da so erwartungs-

voll vor Ihnen liegt, verpassen.

SKEPTIKER Naja, dann habe ich wohl keine andere Wahl.

MODERNISTIN Sie werden es nicht bereuen.





DORIS Was ich denn nun eigentlich persönlich davon habe, mich für Richard

dermaßen einzusetzen ? Och, eigentlich nichts.

Es ist ja letztlich auch nicht nur für Richard:

Ich sehe mich da schon ganz gerne in der Tradition von Frauen -von

starken Frauen-, die solche Naivlinge davon abhalten, sich vor einem

Publikum, welches diese chronischen Verlierertypen natürlich abgrund-

tief verachtet, lächerlich zu machen.

Ein bißchen muss ich schließlich auch aufpassen, dass vor lauter Selbst-

losigkeit wenigstens ein paar vorteilhafte Eindrücke von mir meinen

reizüberfluteten Zeitgenossen in Erinnerung bleiben.

Das sind alles vielleicht keine sehr tiefen Einsichten, aber kann ich

denn etwas dafür, wenn Richard und diese langweiligen Normalos

partout keinen Stoff für irgendwas Dramatischeres hergeben ?

Kurze Pause.

Bin ich jetzt vielleicht doch etwas ungerecht ? Selbstherrlich vielleicht ?

Ideologisch überversiert ?

RICHARD zustimmend: Hm, hm !

DORIS Richard ! Fällst Du mir jetzt etwa in den Rücken, ausgerechnet Du ?

RICHARD Ich könnte mir schon vorstellen, dass Linda, wenn sie einen Beruf hätte,

der ihr die Möglichkeit böte, mit der Zeit zu einer etwas kritischeren

Einstellung zu gelangen, vielleicht nicht mehr ganz so engstirnig durch

die Weltgeschichte laufen würde.

DORIS Na, dann träum´ mal schön weiter, Richard !

RICHARD Und du, Doris ? Meinst du, Du bist wirklich hundertprozentig dagegen

gefeit, dich irgendwann einmal in einen richtigen Macho zu verlieben ?

DORIS Oh, ja ! Das meine ich allerdings !

RICHARD So einem, dem du mit Worten nicht beikommen kannst:

Einem Bergsteiger, ´nem Soldaten oder einem Boxer, z.B. !

DORIS Einem Boxer ? Glaubst Du vielleicht, ich hab´ was übrig für Neandertaler ?

Und für so einen vermutlich auch noch alles andere aufgeben, was ?

RICHARD Genau !

DORIS Herrje, Richard !

RICHARD So einer weiß bestimmt, was er will - Im Gegensatz zu mir.

DORIS Aber was will denn so ein Boxer, so ein Soldat, Richard ? Die Welt

verbessern ?

RICHARD Aber was willst du denn, Doris ? Leute wie mich verteidigen, in Schutz

nehmen, das ist ja vielleicht eine Sache; Das kann dem Selbstbewußt-

sein einer modernen Frau eventuell durchaus schmeicheln, sehe ich ein.

Aber mal ehrlich: Würdest Du wirklich mit einem Weichei wie mir zu-

sammenleben wollen ?

DORIS Zusammenleben ? Wer sagt denn was von Zusammenleben ?

Das ist doch spießig und überholt.

RICHARD Findest Du ?

DORIS erleichtert: Wunderbar, dass mir das eben noch eingefallen ist !

RICHARD Das freut mich für dich.

DORIS Ach, Richard !





Download der Hörspiel-Vertonung von 1994/95: Download
(Autorenproduktion)






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