Initiative `Wir-sind-wichtig - Der Wirtschaft zuliebe !´C. Kölln und C. Köpp bei den Aufnahmen zu `Gehobene Narrenfreiheit´ (1996) in Hamburg-Eilbek




HÖRSPIEL-SCRIPT

Getrübte Einigkeit

(Teil I - II - III - IV - V - VI - VII - VIII - IX - X):


"Konspiratives Interview einer Journalistin mit einer Terroristin"




Ein unruhiger Raum, in den Straßenlärm und das Geräusch langsam stärker werdenden Regens dringen. Schritte sind hörbar.


TERRORISTIN: Bitte halten Sie die Augen noch geschlossen !

JOURNALISTIN: Trotzdem gut, dass die Binde weg ist. Die hat Ihr Kollege wirklich ein bißchen sehr fest gezurrt ! Schritte entfernen sich. Eine schwere Tür wird geschlossen. Ist er jetzt weg ? Sind wir alleine ?

TERRORISTIN: Ja, aber die Augen bleiben bitte trotzdem noch zu. Sie könnten ihn durch das Fenster zum Hinterhof sehen. Er ist gleich weg, haben Sie bitte noch einen Augenblick Geduld.

JOURNALISTIN: Das kommt einem ja langsam vor, wie auf einem drittklassigen Kinder- geburtstag ! Naja, warten wir eben noch ein bißchen ! Stöhnt leicht erschöpft. Der Typ roch aber ein wenig unangenehm, muss ich sagen.

TERRORISTIN: Ach ja ? Ist wohl ungewohnt für Sie ? In Ihren Kreisen benutzen die Herren der Schöpfung wahrscheinlich schon fast genausoviele Duft- wässerchen, wie die Frauen, was ? dass sie dabei zu dem Duft auch gleich noch nach fortgeschrittener Dekadenz riechen, dürfte für Sie ja wahrscheinlich kaum eine Rolle spielen Wenn Sie es überhaupt bemerken.

JOURNALISTIN: Sagen Sie, kann ich meine Augen jetzt öffnen ? Dann wäre ich end- lich auch in der Lage, den Gerüchen die entsprechenden Personen zuzuordnen.

TERRORISTIN: Sie können.

JOURNALISTIN: Das wurde aber auch langsam Zeit ! Aha, so sieht das hier also aus !

TERRORISTIN: Tja, hier wohne ich vorübergehend. Und da drüben steht mein Bett.

JOURNALISTIN: Und Sie sind wirklich zur Fahndung ausgeschrieben bei Interpol ? Das mag man ja gar nicht glauben, wenn man Sie so sieht !

TERRORISTIN: An welchen äußerlichen Merkmalen würden Sie denn den Grad der Bereitschaft zur Violenz bei einer Frau festmachen ? Das würde mich ja mal interessieren.

JOURNALISTIN: Jetzt habe ich wohl tatsächlich einen voreiligen Schluß gezogen Ist sonst gar nicht meine Art. Das muss an der ungewohnten Umgebung liegen.

TERRORISTIN: Schon möglich.

JOURNALISTIN: Also, Ihren Unterschlupf haben Sie ja wirklich absolut geheimgehalten mit der Augenbinde und den vielen Umwegen und so. Hoffentlich sind Sie nicht allzusehr enttäuscht, wenn ich Ihnen hiermit versichere, dass mir der Ort, an dem Sie sich mit Ihren Gesinnungs- genossen versteckt halten, nahezu völlig gleichgültig ist.

TERRORISTIN: Das kann mir ja nur recht sein. Absolute Geheimhaltung war ja ohne- hin die grundlegende Vorbedingung für Ihr Interview mit mir. Wenn ich ehrlich sein soll, muss ich sagen, dass ich mich bis jetzt noch wundere, wie eine Mitarbeiterin einer sonst so unkritischen Frauenzeitschrift wie der Ihrigen über die entsprechenden Kontakte verfügt, die es ihr ermöglichen, ein Interview mit einer der am meisten gesuchten politischen Aktivistinnen zu bekommen.

JOURNALISTIN: Ist ja schließlich mein Beruf. Wir tun beide unsere Arbeit.

TERRORISTIN: schmunzelnd: Das stimmt wohl.

JOURNALISTIN: Nur, dass Ihre ein bißchen blutiger ist als die meine.

TERRORISTIN: Soll das jetzt etwa Ihre erste Frage sein ?

JOURNALISTIN: Wollen Sie mir nicht antworten ? Also, ich erlaube mir festzustellen, dass Sie auf Ihrem Weg einer angeblich besseren Gesellschaft ent- gegen etwas viele Tote zurücklassen. Und zwar nicht nur zahlenmäßig, sondern auch ethisch.

TERRORISTIN: Na schön, es hat natürlich Opfer gegeben. Politische Ideologien müssen sich Ihren Weg in die Realität eben leider oft erst mit Bra- chialgewalt erschließen, um in das Bewußtsein der schweigenden Masse vorstoßen zu können.

JOURNALISTIN: Also, das kann ich so aber nun wirklich nicht schreiben ! Verstehen Sie mich bitte richtig: Auch wenn ich es überaus interes- sant finde, am Rande der Legalität unter konspirativen Umständen ein Interview mit Ihnen führen zu können, müssen wir beide uns trotzdem vor Augen halten, dass es ein Lifestyle-Magazin ist, für das ich schreibe. Das gibt Ihnen ja schließlich immerhin auch die Möglichkeit, über Ihren sonstigen Wirkungskreis hinaus Aufmerk- samkeit zu erregen. Für unsere Leserschaft sind die menschlichen Aspekte Ihres Han- delns sicher interessanter als ideologische Statements.

TERRORISTIN: Ach, tatsächlich ?

JOURNALISTIN: Ich kann mir z.B. gut vorstellen, dass während Ihrer Aktionen zwischen den Teilnehmern eine gewisse, vielleicht unterschwellig bestehende, erotisch geladene Atmosphäre herrscht. Eventuell ja sogar zwischen Ihnen und Ihren Opfern.

TERRORISTIN: Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst ?

JOURNALISTIN: Sie müßten ja eigentlich auch ein besonderes Verhältnis zu Ihren Waffen haben; Zu Ihrem Revolver, den ich da auf Ihrem Nachttisch erspähe. Überhaupt: Wo Sie doch sogar nachts damit rechnen müssen, von der Staatsmacht gestellt zu werden, nehmen Sie Ihren kleinen Freund sicher auch mit ins Bett, oder ?

TERRORISTIN: `Meinen kleinen Freund´ Wie kommen Sie denn auf so etwas ?

JOURNALISTIN: Für mich ist es bei meinen Recherchen wichtig, im Hinterkopf zu haben, dass ich für ein gutinformiertes Publikum arbeite, welches vor allem an Backroundinformationen interessiert ist. Und in diesem Be- reich spielt selbstverständlich gerade die Sexualität eine bedeutende Rolle.

TERRORISTIN: Man kann Sie offenbar nicht davon abbringen.

JOURNALISTIN: Ich kann Ihnen auch gleich sagen, dass ich in dieser Hinsicht bis jetzt von Ihnen etwas enttäuscht bin. Ich hätte nicht vermutet, dass man bei einer doch extrem progressiven Frau wie Ihnen auf derartig viel Ver- drängung in diesem Bereich stoßen muss.

TERRORISTIN: Ich erkenne überhaupt kein Konzept in Ihren Fragen.

JOURNALISTIN: Haben Sie jemals einen Menschen getötet ?

TERRORISTIN: Sie meinen den Fall in Mainz ? Glauben Sie bitte nicht, das mein Ge- wissen unser Vorgehen damals ganz ohne Skrupel einfach gebilligt hat. Ich bin auch heute noch immer nicht völlig darüber hinweg. Andererseits hatte Breitenfells wirklich eine sehr herausragende Stellung in der Sicherheit inne und er war sogar für damalige Verhältnisse miserabel geschützt.

JOURNALISTIN: Das war ja aber wirklich auch nur so ein typischer verschwitzt-fetter Langweiler. Irgendwie ja fast direkt eine Erlösung für die Sinne, dass er weg ist. Der Neue, sein Nachfolger, ist ja gleich auch viel hübscher. Zwar augenscheinlich auch nicht mehr ganz der jüngste, aber er hat irgend- wie das gewisse Etwas. Finden Sie nicht auch ?

TERRORISTIN: Sagen Sie mal, ist das jetzt das neueste Kuriosum auf dem spätkapi- talistischen Arbeitsausbeutungsmarkt ? Sexistische Journalistinnen ? Sie werden wirklich etwas unsachlich !

JOURNALISTIN: Wer ist das dort auf dem Foto ? Ist das Ihr Freund ?

TERRORISTIN: Ja. Ich habe vergessen, es wegzustellen, bevor Sie kamen. Ich wollte eigentlich nicht, dass Sie es sehen.

JOURNALISTIN: Ich wußte doch, dass Sie auch nicht ohne auskommen ! Worin besteht seine Aufgabe bei Ihren Aktionen ?

TERRORISTIN: Ach, er hat überhaupt keine Aufgabe. Ich möchte ihn soweit es geht aus allem heraushalten. Er ist für diese Dinge nicht geeignet. Es war schwierig genug, ihn überhaupt einzuweihen.

JOURNALISTIN: Sieht eigentlich gar nicht so sensibel aus ! Sein Blick wirkt eher sehr entschlossen auf mich. Den werden Sie doch hoffentlich nicht als Heimchen am Herd bei sich zu Hause verschimmeln lassen ! Zutrauen würde ich es Ihnen Nach allem, was Sie mir bis jetzt über sich erzählt haben...

TERRORISTIN: Wirklich sehr bedauerlich, dass ich Ihrer Kolumne nicht sie heißblütige Amazone darbieten kann, die Ihrer Auflage zu neuen Höhenflügen verhelfen würde.

JOURNALISTIN: Könnte ich nicht vielleicht doch einen Abzug von diesem schnucke- ligen Foto haben ? Dieses Bild neben meinem Bericht würde eventuell mein Interview mit Ihnen und Ihrem düsteren Weltbild etwas relativieren.

TERRORISTIN: `Düsteres Weltbild´ Sie haben von mir doch noch gar nichts gehört über mein Weltbild.

JOURNALISTIN: Was Sie mir bis jetzt erzählt haben, reicht durchaus, um ein vor dem Konsum meines Interviews mit Ihnen durchaus noch tolerantes Publi- kum zu verschrecken.

TERRORISTIN: Das meinen Sie jetzt nicht wirklich, oder ?

JOURNALISTIN: Um ein neugieriges Publikum zu ernüchtern, genau das. Meinen Sie vielleicht, Ihre lustfeindlichen Ansichten nimmt Ihnen eine aufgeklärte und emanzipierte Leserschaft einer nach Kräften und gegen den erklärten Willen des Verlagsvorstandes progressiven Frau- enzeitschrift ab ? Sie gehen überhaupt nicht auf meine Stichworte zur Sinnlichkeit in linksterroristischen Kreisen ein Ist Ihnen das nicht aufgefallen ?

TERRORISTIN: Aber darum geht es doch auch überhaupt nicht !

JOURNALISTIN: Na, wenn Sie sich da mal nicht irren ! Durch den Kontakt mit unseren Leserinnen kann ich Ihnen jedenfalls eines verraten: Einer langweili- gen, da politischen Interviewpartnerin gegenüber können die Frauen nachsichtig sein; Nicht aber einer, die ihre elementaren körperlichen Bedürfnisse als weiblicher Mensch wegleugnet und -heuchelt.

TERRORISTIN: Sind Sie jetzt fertig ?

JOURNALISTIN: Wahrscheinlich ist es besser, wir beenden unser Gespräch. Ich weiß sowieso nicht, wie ich dieses Interview eigentlich verkaufen soll. Was mir aber vielleicht ja doch an Ihnen imponiert: Wie Sie trotz dieses ganzen Ideologie-Nonsens Ihren netten Freund halten können. Da muss doch einfach noch mehr im Spiel sein. Darüber hätten wir reden sollen; Das hätte unsere Leserinnen sicher interessiert.

TERRORISTIN: Unser Kampf richtet sich auch gegen die fortwährende Unterdrückung der Frauen.

JOURNALISTIN: Welche Unterdrückung ? Habe ich jetzt ewas nicht mitbekommen ?

TERRORISTIN: Haben Sie überhaupt etwas mitbekommen ?

JOURNALISTIN: Weiß Ihr Freund eigentlich von diesem Interview ? Gefällt es ihm vielleicht, seine Partnerin hunderttausendfach vervielfältigt in einem modernen Magazin zu sehen ? Ist es etwas in dieser Richtung ?

TERRORISTIN: Benny hätte mit Sicherheit kein Verständnis für die Art Ihrer Fragen gehabt. Wenn er auch ideologisch nicht völlig mit mir übereinstimmt, so kann er doch amateurhafte Provinzschreiberlinge von engagierten Journalistinnen unterscheiden.

JOURNALISTIN: Benny ist ja mal ein niedlicher Name für so einen netten Mann ! Gefällt mir. Glauben Sie jetzt bitte bloß nicht, ich hätte Ihre beleidigenden Worte über meinen Berufsstand eben nicht vernommen oder wüßte sie nicht zu würdigen ! Ich habe mich sowieso schon die ganze Zeit über ge- fragt, wann Sie endlich Ihren Frust darüber artikulieren, dass es durch- aus Frauen gibt, die sich Geltung auch mit staatstragenden Tätigkeiten verschaffen und auf das letzte verzweifelte Mittel Terror getrost ver- zichten können. Ich hätte allerdings erwartet, dass Sie dieses dezenter tun würden.

TERRORISTIN: Wie konnte ich mich bloß auf ein Treffen mit Ihnen einlassen ? Sie machen mir beinahe mehr Angst als der Staatsanwalt.

JOURNALISTIN: amüsiert: Oh, komme ich jetzt auf Ihre schwarze Liste ?

TERRORISTIN: ebenfalls lockerer: Na, in der Gesellschaft all der illustren Namen auf unseren Listen würden Sie sich sicher sehr gut aufgehoben fühlen !

JOURNALISTIN: Unterschätzen Sie mich bitte nicht ! Gerade in meinem Beruf lernt man schnell, SCHEINEN von SEIN zu unterscheiden. Das ist auch der Grund dafür, warum ich Sie jetzt bitten möchte, wieder einen Ihrer Kollegen hereinzuholen, damit er mir dann noch einmal wie vorhin diese dämliche Augenbinde umlegen kann, die Ihnen die Geheimhaltung Ihrer ja wirklich nicht gerade verschwenderisch einge richteten Unterkunft garantiert.

TERRORISTIN: Schließen Sie die Augen ! Sie geht zu der schweren Tür und öffnet sie. Schritte nähern sich aus einem benachbarten Raum.

JOURNALISTIN: Ist das jetzt wenigstens Ihr aparter Freund ?

TERRORISTIN: Natürlich nicht !

JOURNALISTIN: Was für ein Tag !


nachgestellte Szene

ARNO Diese Person hat ja wirklich eine bösartige Phantasie !

DORIS lachend: Sie und eine engagierte Journalistin ! Da sind sie jetzt aber

ganz schön mit mir durchgegangen. So was Absurdes !

LINDA Warum meinen Sie eigentlich, dass das kein Beruf für mich wäre ?

Sie mit Ihrer feindbildfixierten Einstellung können sich vom Leben

wertkonservativ gewordene Frauen wie mich wohl nur an der Seite

von skrupellosen Geschäftsleuten vorstellen, was ?

DORIS Sie kommen meiner Vorstellung in der Tat erstaunlich nahe.

An der Seite eines Großindustriellen z.B. würden Frauen wie Sie doch

bestimmt erst richtig zu Ihrer persönlichen Entfaltung kommen.

Die Rolle würde Ihnen sicher gefallen, oder ?

LINDA Sie haben wirklich seltsame Vorstellungen !

ARNO Kann man wohl sagen !



Arno als INDUSTRIELLER

Doris als REALISTIN

Linda als GATTIN

Richard als KRIECHER



Download der Hörspiel-Vertonung von 1994/95: Download
(Autorenproduktion)






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