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Die Geschichte eines verkorksten Features
Die lange nicht mehr
durch erwähnenswerte Produktionen aufgefallene Redakteurin eines
Hamburger Rundfunksenders realisierte ein Radiofeature über die
`Hamburger Schule´ deutschsprachiger Popmusik und bat Leo Greller um
inhaltliche Unterstützung für das Projekt. Am seinem Beispiel sollte das
Leben eines typischen Hamburger Liedermachers aus verschiedenen
Perspektiven dokumentiert werden. Dies misslang gründlich.
Da wäre zunächst Leos Manager Ludo Kamberlein: Der Mann des Vertrauens
für den Liedermacher. Kamberlein unterstützte die Feature-Redakteurin
der Sache wegen, obwohl er neben Greller auch noch ein esoterisches
Sängerinnen-Duo und eine Underground-Electrocombo aus Wedel betreut.
Nach seinem Interview meinte er, er hätte `dieser Radiofrau´ viel mehr
erzählt als er ursprünglich vorgehabt hätte, da sie ihm während der
Gespräche ständig geschmeichelt habe.
Ebenfalls befragt wurde unnötigerweise eine Dame namens `Manuela´: Es
ist kaum seriös zu nennen, in einem Feature über die Hamburger Schule im
allgemeinen und Leo Greller
im besonderen ausgerechnet eine Ex-Freundin des vielbeschäftigten Sängers
zu Wort kommen zu lassen. Insbesondere dann, wenn man die Dame im
Feature ausführen läßt, warum sie illoyalerweise eher auf Rockmusik als
auf die Klänge der Hamburger Schule steht. Und dies mit einer
Begründung, die auch Männer mit mehr sexuellem Selbstbewußtsein als dem Grellers peinlich berühren würde.
Dann gibt es noch diesen ehemaligen Schulkameraden von Leo: Dieser ist
mittlerweile Sanitärtechniker in Heide (Holst.). Hätte das nicht
gereicht ? Der Mann wirkt wie voll durch seinen Beruf ausgelastet. Dies
ist natürlich zu begrüßen, aber wir fragen trotzdem: Mußte
ausgerechnet dieser Herr für das Feature über kulturelle Themen befragt
werden ? War es tatsächlich eine glückliche Wahl, gerade einen
ehemaligen Schulkameraden über Greller sinnieren zu lassen ? Jemanden,
der Leo während der Schulzeit nicht sonderlich nahestand und den
nachweislich schon die Betrachtung eines harmlosen Musikvideos aus dem
Hause Greller überreizt ? Wir meinen, nein !
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VERbrauchtes MISStrauen
Leo Greller ließ sich
-trotz Bedenken- zur beratenden Mitwirkung an dem Feature breitschlagen.
Was er nicht wissen konnte war, dass es besagter Redakteurin bei ihrer
Arbeit offenbar mehr um die Bestätigung bürgerlicher Vorurteile gegen
Künstlerpersönlichkeiten aller colour (hier der Hamburgerischen) ging
als um eine aufrichtige Dokumentation. Leo wörtlich: `Ich habe immer
schon gerne Hörspiele gehört und auch Radio- Features. Das letzte war
eine wirklich interessante Dokumentation über das frühe Ableben von
Sven-Simon Springer, dem Sohn von Axel Springer. Nicht zuletzt deshalb
wollte ich an dem Hamburger Schule - Feature mitwirken. Hat nur leider
nicht viel genutzt.´
Man
hatte offenbar auch keine Skrupel, aus Leos engstem Familienkreis
Personen über die `Hamburger Schule´ und über Greller `auspacken´ zu
lassen. Heraus kam bei Leos Schwester eine laienhafte psychologische
Analyse über Grellers Sozialisation hin zum Liedermacher. Das hier
bediente Klischee `bei gleichaltrigen Mädchen erfolgloser Teenager
flüchtet sich in eine poetische Traumwelt, in der später von der
unfreiwilligen Askese beeinflußte authentische Lieder über Frauen
entstehen´ vermag bei genauerer Betrachtung von Leos Biografie jedoch nicht nachhaltig zu überzeugen.
Auch eine Barfrau vom St.Pauli-Kiez wurde befragt. Will man allerdings
seriös über prominente Personen recherchieren, dann sollte man nicht auf
Informanten zurückgreifen, die diese Menschen regelmäßig in
alkoholisiertem Zustand erleben. Es sollte daher schon die Fairneß
gebieten, Barpersonal nicht zu Indiskretionen zu verleiten. Hat sich
Redakteurin Carstensen in ihrem Feature daran gehalten ? Leider nicht,
was mittlerweile allerdings kaum noch überrascht ...
Was bitte hat die Rundfunkredakteurin Carstensen dazu bewogen, sich
ausgerechnet der bekannten Winterhuder Kolumnistin Reifenstein-Herbig
als Quelle für ihr Feature zu bedienen ? Die Spatzen pfeifen seit
Jahren von Hamburgs Dächern, dass es mit der Chemie zwischen der
Zeitungsdame und dem wiederholt in Ihrer Kolumne schuldlos
niedergemachten Liedermacher nicht zum besten bestellt ist. Und dies aus
vollkommen privaten Gründen, die nichts in einem öffentlichen Rahmen zu
suchen haben. Wir unterstellen, dass es die Hörer nicht interessiert,
wer im vorliegenden Fall einen Korb vom jeweils anderen kassieren mußte:
Der 36jährige Liedermacher oder die um einige unwesentliche Dekaden
erfahrenere Zeitungsdame.
Dass Frau Reifenstein-Herbig der `Hamburger Schule´ deutscher Popmusik
ablehnend gegenübersteht, war daher vorhersehbar und hätte nicht noch
zusätzlich durch besagtes Feature dokumentiert werden müssen.
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Wenn man es mit der Hamburger Medienschickeria zu tun hat, sollte man sicherstellen, dass dies mit einer soliden kulinarischen Grundlage geschieht. Leo Greller greift diesbezüglich gerne auf alte Hausmannskost zurück und gönnt sich ein deftiges Blaubarschgericht, bevor er sich in die Schlacht mit einer nervigen und notgeilen Journalistin stürzt...
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O-TON 'Leo Greller' über Hamburg
Blaubarsch mit Senfsauce I
Wenn man von Berlin
über die Autobahn nach Hamburg hinein fährt und das Radio eingeschaltet
hat, heißt einen die Stadt mit Evergreens von Madonna bis Phil Collins
willkommen. In Hamburgs Äther regiert neben dem üblichen Dudelfunk
nahezu absolutistisch der NDR. Und das ist eine Regime, das man leider
nicht abwählen kann. Radiohörer sowieso nicht und kleine Künstler wie
ich erst recht nicht.
Wenn man sich von öder Musik zur Begrüßung nicht abschrecken lässt und
trotzdem weiter in die Stadt fährt, kommt man schnell zu unserer bunten
Meile, der Reeperbahn. Dort habe ich standesgemäß in einer Seitenstraße
`ne kleine Wohnung zum Hinterhof.
Mein Zuhause in der Hein-Hoyer-Straße: Es war ein verregneter
Sonntagnachmittag vor ungefähr einem dreiviertel Jahr im April. Ich
hatte irgendwie wieder mal den Blues. Erst mal grundsätzlich und an dem
Tag glücklicherweise auch noch zusätzlich in Form meines Mittagessens
`Blaubarsch mit Senfsauce´. Der brauchte noch ungefähr 10 Minuten im
Backofen, also hörte ich nebenher etwas Radio. Ich war an dem Tag nicht
besonders scharf auf Musikhören. Damals hatte ich gerade meinen letzten
Song `Halblang, Kleines!´ aufgenommen und er verkaufte sich nur sehr
mau. Im Radio wurde er natürlich überhaupt nicht gespielt. Gut, ich
kannte das schon.
Es lief also der Deutschlandfunk und ich hoffte auf irgendein
interessantes Gespräch. Das hätte sich fast auch ergeben: Eine junge
Objektkünstlerin schilderte uns Zuhörern, wie sie dadurch, dass sie sich
häufig alle möglichen Dinge von ihren Bekannten lieh, an den
Materialkosten für ihre Werke sparte. Als sie sich gerade darüber
beklagte, dass gute Freunde für eine Künstlerin wie sie wirklich schwer
zu finden seien, schnitt ihr der Moderator --erstaunlich spät- das Wort
ab: `Jetzt haben wir aber schon wieder viel zu lange geredet. Als
nächste Musik gibt´s gleich für unsere Zuhörer einen ganz besonderen
Leckerbissen.´ Leckerer als mein Blaubarsch im Backofen ? Unüberhörbar.
Der Wichtigtuer im Radio meinte: `Für Sie daheim oder unterwegs habe ich
während meines letzten Aufenthaltes in den USA eine ganz besondere CD
aufgetrieben. Wir alle kennen den in den Staaten irrsinnig erfolgreichen
Bruce Springsteen. Aber kennen wir auch seine Cousine ?´. Ich bekam
direkt ein schlechtes Gewissen. Der Moderator schien das zu ahnen und
setzte nach: `Es ist wirklich seltsam, dass die Dame hierzulande noch
völlig unbekannt ist. Sie hat bereits ihre dritte CD eingespielt. Von
der hören wir jetzt den Titelsong.´ Wow ! Was für eine durch und durch
musikalische amerikanische Familie, die der Deutschlandfunk mir da ins
Haus schickte! Wie gut, dass dieser Sender seine Reporter hinaus in die
medial noch viel zu wenig erschlossene Neue Welt schickt, damit wir uns
hierzulande nicht von einheimischen Nachwuchsbands volldröhnen lassen
müssen ...
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O-TON 'Leo Greller' über den Norddeutschen Rundfunk
Blaubarsch mit Senfsauce II
Als ich den Kram
damals im Radio gehört hatte, dachte ich, ich hätte doch lieber Herrn
Begemann oder Herrn Schamoni den Vortritt lassen sollen bei diesem
Feature. Leute, die die Sendung gehört hatten, mussten ja denken, Leo
Greller sei ein postpubertärer Schlappes.
Vor allem womit Ludo zitiert wird: Wen interessieren denn olle Kamellen
wie die, dass ich meinen Eltern vor zig Jahren mal 300 Mark geschuldet
habe ? Ich stellte meinen Herrn Manager natürlich zur Rede. Er meinte:
`Ja, ich bekenne mich schuldig, Leo. Ich hab´ der Hörfunkbraut viel mehr
erzählt als ich eigentlich vorhatte. Die hat mir die ganze Zeit
geschmeichelt, fast `n bisschen geflirtet und Du weißt ja: Für eine vom
NDR war sie sogar relativ frisch. Jeder Mensch braucht ab und zu n´ paar
Streicheleinheiten, egal von wem.´ Der bisher einzige Lichtblick in dem
Feature war meine Lieblingsbarfrau auf St. Pauli. Die weiß eben, was
sie ihren Stammkunden an Diskretion schuldet. Ganz im Gegensatz zu der
Dame, die sich vor einem dreiviertel Jahr meine Freundin schimpfte - Mit
Manuela das Peinlichste kommt ja erst noch. Und was von der
aufdringlichen Klatschkolumnistin nachher noch zu hören sein wird,
gehört eigentlich auch nicht in `ne seriöse Sendung. Aber im Quotenradio
muss es wohl ständig ordentlich `menscheln´.
Vielleicht hätte ich doch darauf eingehen sollen als mir die Carstensen
im Café Schwanenwik anbot, wenigstens meine Rolle in den Spielszenen
selber zu sprechen. Statt dass sie so´n Lackaffe von
Vorabendserienschauspieler verunstaltet. Die können doch eigentlich
immer nur sich selber spielen ... . Wenn ich mich selber gemimt hätte,
dann hätte ich sicher mehr Einfluss darauf gehabt, was letztendlich
gesendet worden wäre. Eigentlich war ich ja auch gar nicht so abgeneigt.
Ich dachte mir halt, es wäre vielleicht taktisch klug, erst einmal mit
dem nicht so grandiosen Image des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bei
uns Wortkünstlern zu kokettieren. Hätte ich aber vielleicht doch für
mich behalten sollen, meine gespielte Bescheidenheit: `Frau Carstensen,
ich bin ganz durch´n Wind, dass sie mich als Sprecher in Erwägung
ziehen. Dabei passe ich doch gar nicht so recht ins NDR-Programm.
Schließlich kämpfe ich mit meiner Kunst gerade gegen Sprachverfall und
Gutmenschentum an.´
Ich bin einfach davon ausgegangen, dass so eine üppig bezahlte
Redakteurin vom Staatsfunk über genügend Selbstbewusstsein verfügt, über
meine kleinen Sticheleien hinwegzusehen. Ich meine, O.K. -- wer bin ich
denn schon ? Und wie viel Macht, Geld und Einfluss hat der Norddeutsche
Rundfunk ? Und also auch seine Redakteurinnen. Ich meine, die haben
einfach die Mittel. Gut -- man hört das ihren allermeisten Sendungen
natürlich nicht an ! Aber das ist doch trotzdem kein Grund, sich von
`nem kleinen Sänger irritieren zu lassen.
Naja, wenigstens kam durch die Produktion dieses Features niemand
ernsthaft zu Schaden. Obwohl: Frau Carstensen blieb doch nicht ganz
unversehrt -- Sie erlitt einen kleinen Hörsturz als Sie einmal
unangekündigt in die Proben zu meiner neuen Show hereinplatzte. Das
zählt aber nicht, denn das wäre nicht passiert, wenn sie einfach nur
ruhig dort sitzen geblieben wäre, wo ich´s ihr gesagt hatte -- `Ach
wissen Sie, von hier vorne sehe ich Sie aber viel besser !´. Nicht mal
meine kaum benutzten Oropax wollte sie sich leihen lassen: `Nee, lassen
Sie mal stecken, Herr Greller !´ - Dann kann ich auch nichts dafür, wenn
Michael den `Blue Devil´-Verstärker für seine E-Gitarre hochfährt und
die Carstensen spricht davor gerade in ihr Handy mit dem Intendanten.
Ich glaube ja, dass sich der Ohrring, den es ihr bei diesem Zwischenfall
vom Kopf gepustet hat, bei einer der nächsten Proben wieder anfinden
wird. Kann doch aus meiner Band niemand was mit anfangen, mit so `nem
ehrwürdigen Familienerbstück. Außerdem hat sich Michael später noch
telefonisch bei ihr entschuldigt. Kann natürlich sein, dass sie das so
kurz nach diesem kleinen Unfall noch nicht richtig wieder hören konnte
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Kakophonie, Schwafophobie ... aus dem Tagebuch eines genervten
Liedermachers der 'Hamburger Schule' deutschsprachiger Popmusik:
Über nervige Radiofritzen, naive Träumereien über den 'idealen Gig', Medienkritik über
den Norddeutschen Dudelfunk und vereitelte Outings von Homosexuellen in der Musikbranche.
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NERVTÖTER
Der Radiofritze
Verdammt, es fällt doch wohl absolut in Ludo´s Aufgabenbereich,
mir kaputte Typen vom Hals zu halten. Ich will in Ruhe meine Arbeit machen.
Aber er meint wohl, als mein Manager muss er alles, aber auch wirklich alles
mitnehmen, was mir so von irgendwelchen Spinnern angeboten wird.
Herr Greller, haben Sie kurz Zeit für
mich ? Ihr Manager, Herr Kamberlein, hat mich ermutigt Sie zu fragen, ob
Sie in meinem Feature über die `Hamburger Schule´ deutscher Popmusik
mitwirken wollen.
Wenn ich an ´nem Lied schreibe, brauche ich Ruhe. Ich
schüttele sowas schließlich nicht mal eben einfach so aus dem
Ärmel ! Das ist Milimeterarbeit. Da geht es nicht an, dass irgendein
Wichtigtuer mich um halb 11 Morgens am Telefon damit zulabert ein Feature
über mich machen zu wollen. Über mich als wichtigen Vertreter der
`Hamburger Schule´. Zweifelhafte Ehre ...
Der kann von mir aus einen Nachruf auf meine Karriere bringen, sobald ich
den Löffel abgegeben habe. Aber vorher lasse man mich bitte noch eine
Weile in Ruhe texten. Und dann noch so´n experimentelles Zeug !
Also, Herr Greller: Das würde
keinesfalls ein einfaches Interview mit ihnen werden. Das läge unterhalb
meines Anspruchs, Authentisches über die deutschsprachigen Hamburger
Popmusiker zu berichten. In unserem Fall also über Sie.
In dem Feature würden Personen, die Ihnen unterschiedlich nahe stehen,
zu Wort kommen: Ihr Agent ...
Das könnte Ludo so passen !
ehemalige Freundinnen ...
Die sollen sich lieber in Schweigen hüllen !
Klassenkameraden von Ihnen, Leute aus
der Hamburger Künstlerszene ... -
Und Natürlich Sie selber, im O-Ton. Ohne, dass ich Ihnen Fragen stelle.
Sie könnten erzählen, wonach Ihnen gerade ist, was Sie für
wichtig halten.
Das ist ja ´ne tolle Idee ! Aber ich befürchte, daraus wird nichts:
Wenn mir heute trotz Deines dummen Rumgequatsches noch was Brauchbares einfallen
sollte, kommt das in meinen neuen Song !
Ich würde die einzelnen Beiträge
dann so zusammenmixen, dass den Hörern ein individuelles Gesamtbild
von Ihnen entsteht.
`Ne schöne Kakophonie würde das werden ! Auf Kosten meines Images,
das sehe ich schon kommen. Nee, nee ! Der Typ soll mal lieber weiter studieren
gehen, mir besser nicht über den Weg laufen und den Leo in Ruhe seine
Arbeit tun lassen. Da kommt bestimmt was Gescheiteres bei raus als bei so
´nem ollen Hörbuch oder Feature. Jede CD von mir ist sowieso wie
ein Kapitel aus meinen Memoiren.
Ich geb´ echt lieber der Mopo Interviews als solchen Pseudointellektuellen.
Wenn ich denen von der Presse sage, dass sie in einem Artikel über mich
Bockmist verzapft haben, dann haben die immerhin die Größe, das
auch einzugestehen;
Aber wenn so ´ne hochambitionierte Toncollage misslingt, dann seh´
ich das doch schon kommen, dass sich so ein elitärer Radiospinner am
Ende noch damit herausredet, es hätte an mir gelegen und mir die Schuld
in die Schuhe schiebt.
Aber die werd´ ich mir nicht anziehen.
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LUFTSCHLÖSSER
Der Idealgig
Mannomann, solche Träume, wie den letzte Nacht, müßte
man wirklich öfter haben: `Ein Tag im Leben des Superstars Leo Greller´
- So kam mir der vor. Als Stoff für ein neues Lied wäre so ein
Idealbild von `ner Sängerkarriere ja auch nicht schlecht. Das würde
allerdings voraussetzen, dass ich alle Einzelheiten noch zusammenbekomme...
Als erstes bin ich mal in ´nem Hotelzimmer aufgewacht. Wo war das nochmal
? Genau - Ganz trendy in Wien, schöne morbide Stadt.
Und natürlich wach´ ich nicht alleine auf: Das Groupie neben mir
ist richtige Wienerin. Keine von den Nervensägen, die sich einem über
hunderte von Kilometern auf der Tour hintendranheften. Sie bestellt mir noch
den Zimmerservice für´s Frühstück. Dann sagt sie
kurz, dass sie schon auf meine nächste CD gespannt ist und verabschiedet
sich ganz dezent und ohne Liebesschwüre.
Wie ging´s weiter ? Ich bekomme mein Frühstück an´s
Bett und lese im Kulturteil der Morgenzeitung, dass mein Konzert vor zwei
Tagen zweifelsohne die Maßstäbe für One-Man-Songabende in
Österreich um einiges anheben wird - Überschrift des Artikels:
`felix hammonia´, was bemerkenswert ist, denn eigentlich kann ich gar
kein Latein.
Jedenfalls ist man in der Wiener Leopoldstadt schon total gespannt auf mein
Wiederholungskonzert heute Abend. Dafür jogge ich mich dann am Nachmittag
nach einem guten Essen im Schönbrunn-Park fit. Nur zweimal werde ich
dabei von netten und ganz und gar nicht hysterischen jungen Wienerinnen erkannt
und um ein Autogramm gebeten. Naja, und eine Telefonnummer wird mir augenzwinkernd
zugesteckt.
Ich wundere mich noch im Nachhinein etwas, dass mir die Unaufgeregtheit der
Leute im Traum so gefallen hat. Also, in echt hab ich das ja eigentlich ganz
gerne, wenn die Mädels ´n bisschen wuschig werden und ausflippen.
Könnte ruhig öfter der Fall sein ! Naja, war halt nur ein Traum.
Am Abend dann das Konzert. Ausverkauft und mitgeschnitten für´s
Fernsehen. Ich trete pünktlich auf, habe es nicht nötig, die Leute
durch Hinauszögern heiss auf mich werden zu lassen. Vorgruppe ist auch
nicht, technische Schwierigkeiten - keine Spur. Ein paar jüngere Mädchen
weinen, na also !
Die Zugaben dauern länger als meine Show. Die Leute wünschen sich
nicht meine alten Kamellen, sondern fast nur Sachen von der neuen CD.
Nach über drei Stunden verabschiedet Leo Greller sein Publikum in den
Teil der Nacht, den er ihm noch übriggelassen hat. Ein paar Roadies
schleppen mich noch in eine Wiener `In´-Bar, in die sie ohne Begleitung
eines Promis normalerweise nicht reinkommen - Auch nicht gerade realistisch,
der Traum. Nach einem guten Konzert falle ich normalerweise halbtot in´s
Bett. Aber, was soll´s ?
Diese Nacht bleibe ich alleine. Nicht, weil sich nicht´s ergeben hätte,
sondern weil ich am nächsten Tag, meinem letzten in der Stadt, noch
was vorhabe: Ich besuche eine Freundin aus früheren Tagen, die mich
einmal sehr inspiriert hat. Sie wohnt seit einiger Zeit in Wien und empfängt
mich mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in ´ner großen schönen
Altbauwohnung.
Meine ehemalige Muse sieht prima aus, ihr Mann freut sich mit ihr über
meinen Besuch und auch die 3 Kinder sind happy. Die älteste ist 12.
Ich kann mir nicht helfen, aber ich finde, sie sieht mir ziemlich ähnlich.
Dem Typ fällt das offenbar nicht auf und überhaupt scheint die
Parallelwelt meines Traums in einem glücklichen Universum beheimatet
zu sein, das von Vaterschaftstest nichts zu ahnen scheint.
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Norddeutscher Dudelfunk
[Moderator:]... Ihr hörtet gerade die Hamburger
Nachwuchshoffnung DJ Pumpbeat mit `Pulse Injection´. Starke Scheibe ! Schon
ein bißchen länger im Geschäft, nicht ganz so bombastisch
erfolgreich, ist mein nächster Studiogast hier bei Hype FM. Die eine
oder der andere kennt ihn vielleicht sogar schon - Er kommt aus St.
Pauli und hat uns seine neue CD `Halblang, Kleines !´ mitgebracht ...
[Leos innere Stimme:] Stop ! Halt ! So läuft das nicht. Ich will das nicht ! Alles wieder zurück auf Start !
O.K.,
zugegeben: Meine neue CD könnte sicher besser laufen. Den deutschen
Musikmarkt wird sie wohl doch nicht völlig verwüsten, wie ich das
erwartet hatte. Ich müsste Ludo eigentlich sagen, er soll als mein
Manager das PR-Pedal noch mehr durchtreten. Das will ich aber nicht:
Verdammt - Die Leute sollen “Halblang, Kleines !” von sich aus kaufen,
aus Neugierde. Oder sie sollen es bleiben lassen. Ich bin 36 - Ich hab´
einfach keine Lust mehr, in irgendwelchen miefigen Radiosendungen vor
Hörern mein Leben runterzubeten. Nur weil sie mich noch nicht kennen,
noch nie was von mir gehört haben. Die können mich mal !
...Ihr
wisst immer noch nicht, wer heute bei mir im Studio sitzt ? Ich gebe
Euch einen Tip: Er hat was mit der legendären `Hamburger Schule´ zu tun.
Wird da sogar manchmal als heimlicher Klassensprecher bezeichnet. Na,
dämmert´s langsam ?
Und dann kann es noch passieren, dass
mich so´n grenzdebiler Dudelfunk-Moderator als Obermacker der Hamburger
Schule deutscher Popmusik anpreisen will. Oberpeinlich! Klassensprecher
war ich auf der richtigen Schule schließlich auch nie.Wär´ ich damals
ein Klassensprechertyp gewesen, dann wär´ich heute nicht Popsänger,
sondern Leiter in ´ner Bankfiliale oder sonstwas Gemeines. Überhaupt:
Ein typisch plakatives Label von der Presse - `Hamburger Schule´. Das
könnte den Schreiberlingen so passen ... alles schön übersichtlich
eingeteilt: Als Klassenstreber die Intelligenzbestien von `Blumfeld´,
als Klassenflittchen die Mädels von `die Braut haut ins Auge´ und als
Klassenrowdie am besten noch Rocko Schamoni. Vielen Dank - So ´ne (imaginäre!) Schule müsste man wirklich anzünden ... ! Naja, jedenfalls wär´s keine für den kleinen Leo.
Man
sollte meinen, dass in `ner großen Stadt wie Hamburg die Radiosendungen
eigentlich mehr Niveau haben müssten. Da kommt man aus Heide hierher,
denkt `So, jetzt ist es wohl mit dem Kraut- und Rübenfunk erstmal
vorbei, Nun ist Metropolenprogramm angesagt.´. Aber denkste: Die
Hanseaten lieben´s flach. Bloß keine stilvollen Musiksendungen, bloß
keine intelligenten Lieder, sondern lieber Fischmarktgesülze auf
Kopfhörer. Kein Platz für Leo Greller. Und wenn, dann höchstens als
Alibi. Jetzt mal unter Dudelfunk-Moderatoren: Wir müssen in Hamburg
ja zum
Glück keinen Deutschpop aus Berlin importieren, wir haben selber Musiker
in unserer schönen Hafenstadt. Wir kaufen zwar ihre Platten kaum und
lassen sie auch nicht so gerne in unseren Fernsehsendungen auftreten.
Aber wir kennen durchaus ihre Namen, wir wissen, wo sie wohnen und wir
haben ihnen sogar eine gesonderte Schublade reserviert, damit auch ganz
klar ist, was wir von ihnen erwarten: Das ist die
`Hamburger-Schule´-Schublade. Genau - Die in der Kommode, die ganz
hinten in unserer Besenkammer steht. Und aus dieser Schublade heraus
soll es bitte nicht zu subversiv heraus schallen: Schräge
Alltagsgeschichten, nicht zu abgehoben, jeder sollte es verstehen
können. Ein wenig Ironie ist OK. Melancholie schadet auch nicht. Sogar
ernsthaft darf es ab und zu mal sein, wir sind mal nicht so ... | |
OUTING
Durch die Hintertür
In meine Musik fließt alles Mögliche mit ein: Fußball, mein
Leomobil, Möbel, Politik, Comics, Steuerbescheide ... und ganz besonders
natürlich Frauen.
Manche Frauen inspirieren mich total, wenn ich einen neuen Song schreibe:
Auf Titel wie `3 ½ Arten, Elke zu lieben´ oder `Emanzipiert
und trotzdem pikiert´ kommt man nicht, wenn man in Liebesdingen gerade
Frust schieben muss.
Wenn mich andererseits heute im `Pudels Club´ ´ne Ex von mir
anhaut und im Nachhinein von mir wissen will, warum ich eigentlich während
wir zusammen waren, ausgerechnet Titel wie `Nimm bitte die Hintertür´
oder `sexuelles Mobbing´ eingespielt habe, dann muss sich Leo Greller
schon ziemlich zurücknehmen, um nach einer Antwort auf so´ne Frage
immer noch als Gentlemen durchgehen zu können.
Darüber müßtest Du unbedingt
mal ein Lied schreiben !
Worauf ich ja auch gar nicht kann ist, wenn man mich zu bestimmten Themen
drängen will:
Wenn ich auf dem Turmweg-Straßenfest auftrete und hinterher zur Entspannung
in ´nem leeren Übertragungswagen vom NDR ´ne kleine Nummer
mit ´ner Freundin schiebe ...
... wenn dann mitten während dieser Privatübertragung ein paar
spielende Kinder in den Wagen platzen ...
... und wenn diese Freundin in den nächsten Tagen immer wieder damit
anfängt, dass sich diese Geschichte doch eigentlich super für ´nen
neuen Song anbieten würde - z.B. einen über tragische Fälle
von `coitus interruptus´ wegen übertriebener Rücksicht auf
spielende Kinder ...
Darüber müßtest Du unbedingt
mal ein Lied schreiben !
... dann wird Leo Greller doch gleich wieder misstrauisch, ob sich da nicht
nur wieder jemand in seinen Werken verewigen will.
Über sowas singst Du nie !
Auch enge Vertraute sind da ja nicht vor gefeit:
Wenn Ludo mir in regelmäßigen Abständen immer wieder mal
“zu bedenken geben möchte”, ob ich nicht auch mal eine Nummer speziell
für meine `rein´ männlichen Bewunderer schreiben will ...
Z.B. über ´ne eigentlich phantastische Männerfreundschaft,
die noch perfekter sein könnte, wenn der eine Freund jobbedingt nicht
ständig mit den verschiedensten Frauen in´s Bett gehen müsste
-müsste ist gut!-, während der andere sich aus Vernachlässigung
in irgendwelchen `blue-boy-bars´ die Nächte um die Ohren schlagen
muss ...
Über sowas singst Du nie !
... dann kann ich mir nicht helfen:
Da sehe ich meinen Manager in meiner Phantasie jedesmal mit Stolz geschwellter
Brust in so´nem plüschigen Etablissement in St. Pauli
stehen und dem DJ augenzwinkernd eine CD von mir zuschieben. Mit dem Hinweis,
dass auf sein Drängen der Leo Greller den Track Nr.5 mit dem Titel `Den
einen, den man will - die anderen, die man muss´ extra für seine
wenigen Fans in der `Wunderbar´ geschrieben hat.
Wenn Ludo mir mit solchen Wünschen kommt, dann sage ich ihm jedesmal,
dass meine CD´s nicht das richtige Medium für sein Outing
durch meine Hintertür sind. Das soll er gefälligst direkt durch den
Vordereingang erledigen. Und wenn er dafür ´ne eigene Platte
veröffentlichen muss.
Ich bin schließlich nicht Prolo von Rosenheim..
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