Also:
`Hanseatic Necrophile´. Wir haben den 1998 gedreht im Herbst. Ich hab´
die männliche Hauptrolle gespielt. Naja, so männlich war die eigentlich
gar nicht, werden Sie bald merken.
Das war auch der Grund dafür, dass Benny Blocher aus dem Filmprojekt
ausgestiegen ist. Der sollte ja eigentlich die Hauptrolle spielen. Aber
als er das Drehbuch gelesen hat, bekam er wohl Angst um sein Image.
Die erste Szene spielt in der Hamburger Speicherstadt. Dieses elegante
backsteinrote Relikt aus der Kaiserzeit. Wo die ganzen Teppichhändler
und Im- und Exportfirmen ihre Lager haben.
In einem dieser Speicherhäuser hat eine kleine Teeimport-Firma ihre
Niederlassung. Um die Qualität der Ware aus Indien und China zu
gewährleisten, müssen die Lieferungen natürlich regelmäßig überprüft
werden.
Das ist die Aufgabe des firmeneigenen Teekosters. Von mir. Also im Film
Theo. Teekoster Theo. Ich bin ziemlich aufgegangen in der Rolle.
Erst einmal trinke ich selber gerne Tee. Und die Hamburger Hafenstadt
hat schon immer meine Fantasie beflügelt. Da brauchte mich Eike –unser
Produzent Eike Melldorf- also nicht zweimal fragen als ich für Benny
einspringen sollte.
Gut: Der Film fängt mit ein paar schönen Fassadenaufnahmen der
Speichercity an. Untermalt mit klassischer Klimpermusik. Händel, glaube
ich. Dann wechselt die Kamera in eines der Speicherhäuser. Eben zu mir
in meine Arbeitsstätte, wo ich alleine bin.
Die Kamera hält auf mich während ich meinem Tageswerk nachgehe. Die
schön in eine Reihe gestellten Teetassen mit ihrem dampfenden Inhalt.
Und ich, wie ich mich ruhig einer nach der anderen widme. Wenn ich
gerade mal keinen Tee im Mund habe, dann pfeife ich zufrieden ein
kleines Lied. Die Szene dauert ungefähr 5 Minuten. So ein Film kann
natürlich nur einen Ausschnitt bringen. Dann eine Aufnahme der alten
Wanduhr. Halb vier. Feierabend.
Ich packe meine Sachen zusammen, stelle die Teetassen in die Spüle und
verlasse das Speicherhaus. Danach noch mal 5 Minuten mich bei der Arbeit
am nächsten Tag und schließlich noch mal 5 Minuten am darauf folgenden
Tag, wo die eigentliche Handlung beginnt.
Ein paar Leute haben gemosert, dass diese Arbeitseinstellungen zu Beginn
des Films etwas eintönig auf die Zuschauer wirken, aber Eike hat
natürlich gewusst, was er damit bezweckt. Dass er nämlich die Routine in
meinem Leben unterstreicht, in dem ich tagtäglich das selbe tue, wie
Millionen andere Angestellte auch und ich natürlich im Kopf schon
ziemlich abgestumpft sein muss.

Und am dritten Tag passiert schließlich etwas. Ich pfeife fröhlich zu
dem Klaviersonett im Radio während ich die Teeprobe für den letzten
Testgang an diesem Nachmittag abwasche – Auf einmal wird das
Musikprogramm schlagartig unterbrochen. Ich komme richtig aus´m Tüddel.
Eine gesetzte Frauenstimme erklärt, dass der Katastrophenstab des Senats
zu einer Krisensitzung im Rathaus zusammengekommen ist und dass wir
Zuhörer gleich Genaueres erfahren werden.
Es ist immerhin kurz vor Arbeitsende. Also lässt sich Theo in seinem
Arbeitsablauf nicht beirren und nimmt noch einen großen Schluck Tee
während der Reporter vor Ort durch das Radio verkündet, dass ein
Flugzeug, das auf dem Anflug zur Airbus-Werft in --- war, auf das
nahegelegene Kernkraftwerk Stade im Alten Land bei Hamburg abgestürzt
ist. Ein Supergau sei zu befürchten.
Theo spuckt erschrocken den Tee aus, lässt die Tasse fallen und muss
sich auf seinem Arbeitstisch abstützen. Er ertappt sich selber kurz bei
einigen schadenfrohen Gedanken `So, jetzt ist also endlich mal eine
umweltzerstörende Maschine voller Wichtigtuer abgeschmiert. Das hat
sicher für ein paar Wochen `ne abschreckende Wirkung auf die
Billigflieger ! Auf die Grünen ist in der Hinsicht ja kein Verlass ... ´
oder auch `Wie gut, dass ich nicht in dem Flugzeug saß ! Und wie gut,
dass ich wegen meiner Flugangst sowieso nie fliege !´.
Aber dann dachte er an den Schaden, den seine schöne Heimatstadt Hamburg
durch einen radioaktiven Supergau nehmen würde und ... entsetzt wurde
ihm klar: Sein Mädchen war ja in Gefahr. Elke besserte doch ihren
Lebensunterhalt im Herbst als Erntehelferin für die Äpfel aus dem Alten
Land bei Hamburg auf !
Elke – seine Freundin. Ein junges Ding, das sich tatsächlich mit ihm
abgab. Dass er als Teekoster keine übertrieben hohen Ansprüche an das
weibliche Geschlecht stellen konnte, war ihm im Grunde seines Herzens
klar. Und so hatte er sich seine Beziehung mit der klugen aber nicht
besonders hübschen Soziologiestudentin immer wieder erfolgreich
schöngeredet und -getrunken.
Nichtsdestotrotz – Sie war seine Freundin. Und wahrscheinlich brauchte
sie jetzt seine Hilfe. Sie war nämlich immer auf ihrem Fahrrad in´s alte
Land gefahren ...