Politische Satire: Staatsnah geht die Moderne stiften



Aleyna Gökdal vertritt die Initiative `Wahlzusage - mehr Politik, weniger Demokratie´
aus ureigenster Überzeugung: Litt sie doch als Jugendliche mit Migrationshintergrund ganz besonders
unter dem deutschen Schulsystem, für das Gerechtigkeit und Gleichheit nach wie vor Fremdworte sind.
Nur die Politik kann hier ihrer Ansicht nach für Fortschritt sorgen.






Die Personen:

Aleyna Gökdal | Manuela Holpert-Mang | Hardy Klaschka

Albrecht Opaschowsky | Sonja Schmidt-Peters | Lars Wessel



S z e n eII



W: Dann möchte ich anregen, gleich bei der sich heute vollkommen zu Recht erneut bewerbenden Initiative `Wahlzusage´ zu beginnen. Und ihrer Repräsentantin Frau Aleyna Gökdal.

S: Ein guter Gedanke Herr Wessel. Zumal ich ohnehin mit Frau Gökdal anfangen wollte. Sie sind heute allerdings zum ersten Mal bei uns, nicht wahr ?

G: Ja, voriges Jahr besuchte sie Herr Polckert. Der arbeitet aber inzwischen für die Europäische Union.

S: Ladies first: Frau Gökdal, erzählen sie uns doch bitte etwas über die Initiative `Wahlzusage´, für die sie hier bei uns sprechen.

G: Also: Wir alle wissen ja, dass seit vielen Jahren immer weniger Bürger von ihrem demokratischen Wahlrecht Gebrauch machen. Meine Initiative findet das etwas undankbar und weder korrekt, noch besonders hip oder gar sexy ...

O: Bewerberin Aleyna GökdalSo kann man das auch ausdrücken.

G: ... als Argument ist häufig zu hören, dass zu viele Politiker mit ihrem Tun und selbst mit ihrem Nichtstun Menschen schaden, ihnen die Unwahrheit sagen oder sie sogar finanziell übervorteilen. Diesem üblen Dissen wollen wir von `Wahlzusage´ entgegen treten. Für die Gesellschaft, für die Demokratie.

S: Das war sehr schön, Frau Gökdal.

G: Vielen Dank, Frau Schmidt-Peters.

K: Na, die beiden scheinen sich zu verstehen.

G: Wenn einer Demokratie die Wähler ausgehen, dann droht über kurz oder lang die Anarchie. Oder Schlimmeres. Menschliches Miteinander - oder sagen wir doch gleic

H: menschliches Gegeneinander - ohne staatlichen Ordnungsfaktor kann allerdings niemand Vernünftiges ernsthaft befürworten.

W: Und wir wollen schließlich alle ernst sein, nicht wahr ?

G: Wir wollen ernst sein dürfen ... sollen, meinte ich. Sollten ? Ich meine, wir sollten schon ernst sein wollen.

H: leise zu Klaschka: Au weia ! Die Ärmste !

K: leise zu Opaschowsky: So läuft das hier also. Ich hätte es mir denken können.

O: leise zu Klaschka: Der Wessel soll uns wohl aus dem Konzept bringen.

K: leise zu Opaschowsky: Sieht ganz danach aus.

S: Und weiter geht’s, Aleyna !

G: atmet tief durch und setzt fort: Täglich werden vom politischen Berlin aus die vielfältigsten Leistungen für ganz Deutschland erbracht. Deshalb steht der steigende Anteil nicht abgegebener oder ungültiger Stimmen für ein erschreckendes Maß an Undankbarkeit. Es soll also eine vermeintlich verantwortlichere und vernunftgeleitetere Politik durch unsolidarisches Verhalten wie den Boykott der Stimmabgabe erzwungen werden. Da fragt man sich doch, wie wohl die Väter des Grundgesetzes das kommentieren würden.

W: Das kann niemand wissen.

K: Aber mutmaßen schon: Die würden sicher ganz Bonn auf Empörung polen.

O: Wurden die dort nicht sowieso längst `umgepolt´ ?

G: ihre Verunsicherung überspielend: Und dabei entsprechen uneingelöste Wahlstimmen oft nicht einmal bewussten Verweigerungen, sondern haben ganz banale Ursachen. Trotzdem werden sie automatisch den Gegnern der modernen Parteiendemokratie zugerechnet. Das ist nicht fair und unsere Initiative `Wahlzusage´ wirbt deshalb mit ihren bescheidenen Mitteln um mehr Enthusiasmus für das Wirken unserer Volksvertreter.

S: Sehr schön, wirklich !

G: Wir bleiben allerdings nicht bei den Politikerinnen stehen: Wenn man sagt, man tritt couragiert für die politische Durchgestaltung des Alltags ein – und das tut meine Initiative – dann sollte man sich konsequenterweise auch für mehr Steuergerechtigkeit und mehr Steueraufkommen - kurz: mehr Akzeptanz - für das Steuerwesen einsetzen. Wir werden demnächst eine Goodwill- Kampagne starten, die verdeutlicht, dass Steuern nicht nur allgemein die Volksgem... , die Solidargemeinschaft stärken ...

O: Hoppla !

G: Äh, nämlich: Steuern stellen ganz fundamental bildlich gesprochen das Futter für Politik dar. Ihr Fehlen kommt daher Nahrungsentzug gleich. Und der bedeutet dann konkret Hungertod für Gerechtigkeit, Gleichstellung und Wohlsein – das kann niemand wollen, das darf niemand wollen. Oder sieht das jemand anders ?

K: Das würde ich mich jetzt gar nicht mehr trauen.

H: Ich werde in Zukunft immer brav mein Kreuz machen.

W: Gehören sie denn eigentlich zur Zielgruppe, Frau Holpert-Mhh ?

H: Mang, Holpert-Mang. Und wie meinen sie das mit ihrer Zielgruppe ?

W: Erklärt sich ihr besonderes Interesse aus einer möglichen Nähe zum Milieu der Nichtwähler ?

H: Und wenn es so wäre ?

O: Wussten sie das nicht ? Wahlverweigerer bekommen Punktabzug für ihr nächstes Leben.

H: Meinen sie bei ihrem Kharma ?

W: Was wissen sie darüber ?

G: Nichts. Gar nichts. Weil es nicht stimmt.

H: Allerdings.

O: Aber wer kann das schon mit Sicherheit ausschließen ?

G: Es deckt sich jedenfalls nicht mit den Überzeugungen unserer Initiative. Wir wollen die Abweichler nicht diskriminieren und mit Punktabzug bestrafen. Diskriminierung ist ein Verbrechen. Wir wollen die Verweigerer abholen und mitnehmen zur Urne. Zur Wahlurne.

S: Das bekommt jetzt irgendwie so einen düsteren Touch. Dabei wollen wir uns hier und heute eigentlich dem Leben zuwenden. Ihrem Leben, Frau Gökdal.

G: Was ist damit ?

W: Das möchten wir gerne von ihnen hören.

G: Ach, richtig ! Der Personality-Talk: Sehr gerne. Geboren wurde ich in Ankara in den 60ern. Sie werden es bereits geahnt haben: Ich bin türkischer Abstammung.

H: betont beiläufig: Ach !

K: Wie schön: Sonne, Mond und Sterne ...

O: lacht leicht gehässig ob der Quelle des Zitats.

G: etwas konsterniert: Ja: Sonne, Mond und Sterne. Wasser und Wind nicht zu vergessen. Als ich sechs war, holte mein Vater meine Mutter, mich und meine Schwester nach Köln- Nippes nach.

K: Nur eine Schwester ?

G: Ja, eine Schwester. Und wieso nur ? Eine Schwester und kein Bruder.

K: Oh.

G: Genau – und während meiner Kindheit sind wir natürlich oft in die Türkei gefahren. Das schönste Land überhaupt.

H: Absolut. Haben Sie dort vielleicht auch ihren späteren Mann ge...

G: Nein, habe ich nicht. Keineswegs. Und denken Sie mal bloß nicht, dass mich diese Türkeibesuche besonders geprägt hätten ! Von meiner politischen Initialzündung ganz zu schweigen. Die hatte ich erst später auf dem Gymnasium in Nippes.

W: Wo auch sonst ?

K: Nippes ? Ich kenne mich in Köln nicht gut aus. Gibt’s da denn besonders harte soziale Gegensätze ?

G: Wo gäbe es die nicht ? Aber darum ging es dort nicht in erster Linie.

S: Rechtsextreme ? Gab´s da vielleicht Hass gegen Ausgegrenzte und Abgehängte ?

G: Auch nicht mehr Rechte und Menschenrechts-Fundies als sonst überall ... . Nein es war so: In der Schule wurde schnell unübersehbar, dass es eine kleine Gruppe von Mädchen gab, die hübscher waren als andere. Ich meine nicht `besser gekleidet´ sondern `von Natur aus´ schöner.

O: tröstend: Naja ...

G: Das fand ich nicht gerecht: Unfair - einer modernen Gesellschaft unwürdig.

H: Solange es an Schulen noch Noten gibt, muss man sich sowieso über nichts wundern.

G: Das sowieso. Aber die wurden garantiert auch bevorzugt und das schrie für mich nach einem entsprechenden Ausgleich.

O: Ah, raffiniert ! Respekt ... .

G: Bitte ?

K: Aber ist `Schönheit´ nicht sowieso subjektiv ?

G: Auf keinen Fall !

H: Schön wär´s.

G: Aus diesem und aus anderen Gründen habe ich mich politischen Parteien angeschlossen, die sich Gerechtigkeit, also die Aufhebung von Unterschieden, auf die Fahnen geschrieben haben. Und zwar mit zunehmender Glaubwürdigkeit in der klassischen Farbfolge `rot - grün - lila´.

H: Schick, schick !

G: Um gesellschaftlichen Fortschritt zu unterstützen, ist es nötig, dass wir alle wählen gehen.

O: Eines habe ich noch nicht verstanden: Wollen sie jetzt hübsche Frauen hässlicher machen oder hässliche Frauen hübscher ?

G: Das schreit – wenn man´s denn mal ernsthaft angehen wollte, Herr Opaschowsky - viel eher nach einer politisch gestalteten Quotenregelung, die man im einzelnen natürlich noch verhandeln müsste.

O: Hätte ich mir denken können ...

G: Ja, haben sie aber offenbar nicht: Es bedarf einer Quote, damit wenigstens eine gewisse Kompensation stattfindet, wo die Natur noch nicht gerecht und modern genug ist.

S: Ein schöner Ansatz, Frau Gökdal. Übrigens: Wie sie ihre Haare tragen, erinnert mich persönlich ein wenig an die junge Nana Mouskouri, die wunderbare Sängerin ...

W: Ja, stimmt.

S: Gibt es in ihrer Familie vielleicht einen kleinen hellenischen Einschlag ?

G: leicht verlegen und amüsiert: Nicht, dass ich wüsste. Wenn, dann eher einen armenischen.

Weiter mit Szene III






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